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Baschi - «Bring En Hei»

SOTW #26-2008

Expect emotions

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Sobald der Schiri heute Abend um 22.30 abpfeift und Spanien Europameister wird, geht eine kleine Sensation zu Ende. Die Schweiz hat im eigenen Land eine Fussball-Europameisterschaft ausgetragen.

Die Schweiz, unser kleines Land der grossen Banken und prallen Eutern, lud Europa zu sich nach Hause ein und behandelte seine Gäste gut (solange sie keine Heineken-Shirts trugen). Auf den Plätzen gabs Spektakel: Tore, Karten, Gesten, Tränen. Und dem grossen Kanton wurde trotz der zugegeben nur teilweise (Österreich gabs ja auch) aussereuropäischen Location das Geschenk eines Finals zwischen zwei ureuropäischen Nationen gegeben.

(Die Alternative, im Finale zwei halbeuropäische Mannschaften in einer halbeuropäischen EM um den Pokal spielen zu lassen - die Rückkehr der Osmanen an die Grenzen Wiens, sozusagen - wurde für etwas zu riskant empfunden. Vielleicht hat ja Carlsberg bei Platini angerufen und ihm erklärt, dass die Russen eh nur Vodka trinken und die Türken ja gar nichts.)

Und was noch? Die Franzosen waren miserabel, die Tschechen enttäuschend, die Holländer bittersüss, und und und. Alles schon tausendfach gehört. Besser, wer ins weniger offensichtliche schaut (act global, think local) und sich an das Nebensächliche an der schönsten Nebensache der Welt erinnert.

Zum Beispiel das Wetter: Wie sich zwischen Eröffnungs- und Endspiel ganz Zürich langsam aber sicher bis auf die Flipflops entblösste; wie das Schweizer Fernsehen in der Kategorie "Blitzresistenz" konkurrenzlos Europameister wurde; wie türkische Siege für Langstrassenbewohner zu schlaflosen Nächten wurden, wahlweise wegen des Hup-Pegels (Fenster offen) oder wegen der Hitze (Fenster zu).

Zum Beispiel das Essen: Wie die Fanmeile Bratwürste und Servelats übelster Sorte hervorbrachte, und das trotz eines genügenden Vorrats an brasilianischen Rinderdärmen; wie ein fünfzehnfränkiger Bon für ein rotes Thai-Curry am Münsterhof mit dem nötigen Geschick auch zwei oder drei mal eingelöst werden konnte; wie die Strassen von Zürich von den Ausscheidungen der Fans auf magische, urschweizerische Weise befreit wurden, bevor sie, wenn man so will, einen bleibenden Eindruck hinterlassen konnten.

Zum Beispiel die Menschen: Wie sich eine Gruppe Rumänen am Kiosk Central nicht überwinden konnten, das Birchermüesli zu kaufen, das ich ihnen so empfahl (wohl weil es eben doch etwas wie das Resultat einer Alkoholvergiftung aussieht); wie sich junge, ignorante Schweizer ihrer Tellschen Tradition widersetzten und in fremden (deutschen!) Fullballshirts nach Basel reisten; wie König Fussball tausende Umarmungen unter Unbekannten und Tränen auf den Schultern Fremder in den letzten drei Wochen ermöglichte.

Europa erhörte Baschi - das Fest (nicht etwa der Pokal) kam heim. Sollte es ein nächstes Mal geben, werde ich dafür garantiert zu alt sein. Aber für die Enkelkinder wird auch dieses für die eine oder andere Geschichte reichen.

Interpret: Baschi, CH
Song: Bring en hei
Jahr: 2006/2008

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Sich wieder auf die gutschweizerische Bescheidenheit besinnen.

Artwork: Tobistar's SOTW-Logo (JJ's Europass Remix)





Comments

ah, gott sei dank ist fussball endlich vorbei :-)




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