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Dak - «Ovi A Reopened»

SOTW #29-2009

Sampling Extravaganza

Das Amen Break in Standardnotation

Gewisse Geräusche kennt man einfach. Ich zum Beispiel habe den abrasiven, mir verhassten elektrischen Summer meines ersten Weckers in den Ohren. Wenn ich heute irgendwo zufällig etwas Ähnliches höre (wie zum Beispiel den Warnton der Fritteuse bei McDonald's), schrecke ich immer noch zusammen, 15 Jahre später. Andere Klänge haben auf manchmal verschlungenen Pfaden zu einer grösseren, allgemeineren Populartität gefunden, meistens leider geplant von ausgefuchsten Marketingfritzen. Und dann gibt es noch Soundfetzen, die uns einfach so immer wieder über die Partitur laufen, ohne dass jemand so genau weiss, warum. Die Film-Tonmenschen haben zum Beispiel ihren Wilhelm Scream, einen wirklich tollen Todesschrei, der wohl irgendwann einmal seinen Weg auf eine Soundbank fand und von dort gemäss Wikipedia in über 140 Filme diffundierte.

Und was dem Film recht ist, das soll der Musik nur billig sein.

Die Musikproduzenten haben gegenüber den bildenden und darstellenden Künstlern ja den grossen Vorteil, dass sie einander ungeniert bestehlen können. Wer wüsste zum Beispiel, dass die Orchester-Unisoni von Yes' Owner of a Lonely Heart vermutlich von Kool & the Gangs Celebration stammen? Niemand! Nullo actore, nullus iudex. Höchstwahrscheinlich gibt es Hip-Hop Tracks, bei denen nicht ein einziges Sample neu eingespielt wurde — mal abgesehen vielleicht vom Sprechgesang, wobei ja auch das nicht sicher ist. Zumindest scheint der Vitalstatus heute nicht mehr einen gravierenden Einfluss auf die Produktivität eines Rappers zu haben — Tupac Shakur hat six feet under mehr Alben veröffentlicht als jemals zuvor.

Das Amen Break ist ein besonders extremer Fall von Soundklau. 1969 spielte eine Band namens The Winstons auf der B-Seite ihrer Single Color Him Father den Song Amen, Brother ein, der zufällig ein ziemlich geniales, fünf-sekündiges Drum-Solo enthielt, das ominöse Amen Break. Durch einige glückliche Umstände landete das Break auf einer Breaks-Compilation; von da trat das Amen seinen Siegeszug zunächst durch Hip-Hop-Territorium an, und eroberte später das Feld der elektronischen Musik. Tausende und Abertausende Producer bedienten sich nach Herzenslust — und ohne jegliche Quellenangabe, geschweige denn einer Entschädigung — bei den Winstons. Zehntausende Songs, alle beinhaltend zumeist eine bereits gehörte Variation, im seltensten Fall eine mehr oder minder originelle Neuinterpretation des klassischen Amens.

Wer sich durch die 40 Amen-Derivate der amerikanischen Wikipediaseite durchhört und musikalisch bereits zuvor in der Sampling-Ära angekommen war, dem seien einige Aha-Momente garantiert. Vom heavy Hip-Hop Backdrop um 100 BPM über die gefilterten, aggressiven Rhythmen von Dark-, Hard-, Tech- und was es sonst noch für -steps gibt, bis zu hypnotischen, subfrequenten Triphop-Breaks. Das Amen-Break ist universal, Lingua Franca der artifiziellen Musik. Das erklärt zum Beispiel auch, warum sich ein Tausendsassa wie Luke Vibert, der schon in so einigen Feldern der elektronischen Musik gewildert hat, unter dem Gimmick Amen Andrews ausschliesslich Songs veröffentlicht, die auf dem Amen aufbauen. Das Amen Break hat den Status eines Instruments erlangt, es gehört wie Rolands heilige Dreifaltigkeit aus 303, 808 und 909 zum Standardrepertoire computerinduzierter Musik.

Daks Ovi A Reopened ist ein toller Amen-Song. Abgesehen davon, dass der Komponist wie erwähnt sowieso keine Tantiemen bezahlt, kann er sich glücklich schätzen, dass er die Winstons nicht pro Sample entlöhnen muss. Gefühlte 1 Mio. wunderschön zerschnittene, beschleunigte, umgedrehte und transponierte Amens allenthalben. Ein heftig modulierter Reese-Bass und einige zerstreute Synth-Pads reichen als Beilagen völlig. Amen, Bruder!

Interpret: Dak
Label: Lightless Recordings
Song: Ovi A Reopened
Jahr: 2008

Internet: Dak auf Myspace, 40 Amen Breaks, Amen Andrews auf last.fm

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Das Amen auf allen trommelbaren Gegenständen üben.

Artwork: Try it yourself! (von Wikipedia)





Comments

jau dodi cool! spöter trummli i demfall no chli uf dim chopf ume zu dem sound;) abgsee vo de - ää-hem - verpasste deadlein en tegscht, der "die muksmäuschen jodeln lässt"! i dem sinn, "let them stube-bells ring" ;)

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