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Fools Garden - «Meanwhile»

SOTW #21-2013

Im Tunnel

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Es ist eng. Und grell. Sehr grell.

Ich schliesse die Augen, und versuche mich zu beruhigen. Ruhig atmen, wie beim Tauchen. Ganz langsam: Einatmen. Aber halt, ich darf mich ja nicht bewegen.
Ich stocke, halte die Luft an.
Das Herz klopft im Kopf.
Ich lasse die wenige Luft wieder raus, zittere dabei leicht.
Oh Gott beruhige dich. Langsam einatmen.
Ich habe fast das Gefühl zu ersticken, weil ich so flach und langsam atme.
Nicht bewegen. Du kannst hier eh nicht alleine raus, stösst dir dabei nur den Kopf.

Man muss mit sich selbst manchmal pragmatisch sein. Diese Argumente ziehen am besten.Ich öffne also die Augen. S' ist immer noch heller als taghell, gleissend, dass es fast wieder dunkel scheint.Um mich herum das Getöse, Stampfen und Schwingen. Alles scheint in Bewegung, ich hör es ja. Aber sehen tu ich es nicht, was alles noch viel bedrohlicher erscheinen lässt. Die Maschine rotiert um mich herum. Das Geräusch ist so intensiv, dass mir beim Zuhören schwindlig wird.

Bleib ruhig.

Atmen wird zur Qual. Der Körper will mehr Luft, als ich ihm zugestehe, ich will mich nicht bewegen.
Die Schulter schmerzt.
Sie haben mir ein Kontrastmittel gespritzt, und was vorher erträglich war, ist nun die Hölle.
„Gewisse Patienten verspüren einen leichten Druck“.
Einen Tag lang wird der Arm taub, bleiben, als hätte jemand alles Gefühl aus dem Arm rausdestilliert und in die Schulter wieder eingespritzt.

Ich wusste, ich muss Musik mitnehmen. Denn in der Röhre war ich schon mal mit meinem Fuss. Schon zwei mal, denn die Maschine ging während des ersten Scans kaputt. Mein Fuss war danach auch um einiges kaputter, denn die sehr unfreundliche Dame von der Klinik im Park hatte ihn mir so eingespannt in der Maschine, dass die Stabilisatoren Druck auf das lädierte Gelenk ausübten. Wie ich nach Hause kam weiss ich nicht mehr. Nach dem zweiten Mal, meinte sie, ich solle beim nächsten Mal Musik mitnehmen. Danke, dass sie's mir nach dem 2. Mal sagen.

Fast 10 Jahre später, in der Sportclinic (mit sehr, sehr, sehr nettem Personal) stand ich vor der Frage: Was nehm ich mit in die Röhre? Was beruhigt? Welche Musik kenn ich so gut, dass sie mich beschützt vor der Angst?

Ich bin kein Klaustrophobiker, aber 13 Minuten MR unter Schmerzen können sehr lange sein. In diesen 13 Minuten ist man auf sich selbst gestellt, seinen Geist, seine mentalen Stärken und Schwächen. Engel und Teufel. Und der Gedanke daran, was sie denn alles finden könnten, ist auch nicht hilfreich. Der Hypochonder in mir ist ein Schisshas. Und diesmal ist es ja nicht nur der Fuss, sondern die Schulter, sprich der ganze Oberkörper muss da hinein.

Kein Rhythmus, darf sie haben, die Röhrenmusik, kein Beat, kein Hiphop also, nicht zu viel Gitarre, nichts, das man laut raussingt, nichts, was zu sehr bewegt und einem trotzdem Sicherheit gibt. Die Antwort war einfach: Fools Garden.

Man muss pragmatisch sein. Ich muss pragmatisch sein.
Ich kenne die Texte auswendig, wir hatten sie in der Primar.
Ich kenne jedes Denglische Wort.
Jeden Fehler.
Nein, sie sind nicht meine Lieblingsband.
Nein, ich finde sie klingen nicht wie die Beatles.
Aber sie geben mir gute Erinnerungen zurück.
Ein Stück Geborgenheit, im kalten Tunnel.

Und es war die richtige Wahl - wäre es gewesen, hätte die Assistentin die Lautstärke nicht kurz vor Beginn auf kaum hörbar gedreht. Danke, dass sie an mein Hörvermögen denken. Wenn die Schulter schon kaputt ist, bleiben mir wenigstens mein Ohren.

Also bin ich doch wieder alleine mit mir selbst und meiner Angst.
S’ist zu viel Licht hier, in der Dunkelheit.

blockquote>Interpret: Fools Garden
Album: Dish of the Day
Song: Meanwhile
Jahr: 1995


Internet: offizielle Website


Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Ruhig bleiben.


Artwork: Schulti








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