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Hadag Nachash - «Shirat HaSticker»

SOTW #13-2008

Wenn Aufkleber singen

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Soviel steht bereits fest: Israel ist ein sehr intensives Land. Das Leben hier bedingt viel Verständnis, Toleranz und Geduld. Es gibt Tage, an denen es einem unvorstellbar viel Energie raubt, ohne dass irgendwas Spezielles geschieht. Man kommt nicht drum herum, sich mit den Problemen auseinander zu setzen. Konflikte sind allgegenwärtig und betreffen jeden Lebensbereich. Es gibt keinen Off-Schalter, Politik und Religion sind keine Freifächer, Soziologie studiert man nicht, man lebt sie.

Gewöhnt habe ich mich schon an: Humus und Pita; fehlender Regen; Sheruts; Strand; rosa Blumenbettwäsche; dreckiger 2-Platten-Herd; türkischer Kaffee; Schekel und Agorot; Wadis und Shuks; Shisha; Falafel; Egged Bus; alles in und rundum Tel Aviv; Nüsse; Kippas; rosa und weiss blühende Bäume; Kakteen; Preis runter handeln; German Colony in Haifa; Mittwochkonzert auf dem Campus mit Freibier; Nana; Druize Village in Haifa; Klagemauer; Bookstore aka Laden, der alles verkauft an der Uni; El-Aqsa-Moschee; feine Fertigkuchen mit fetten, schwarzen Frauen auf der Verpackung; das tote Meer; Mensa in der Uni; Betreuer der International School, die alles organisieren können; das Stossen, Schubsen, Schreien, Hupen; Hebräisch; das Meer.

Noch nicht gewöhnt habe ich mich an: Professoren mit Pistolen; die leidige Frage nach der Religion; Israel als Vorname; Rambam Spital in Haifa; tiefsitzender, unbewusster, aber dennoch stetig präsenter Rassismus; unkoordinierte Emergency Drills; viele Amis auf einem Haufen; mein stickendes Badezimmer; rechtslastige Professoren; die unfreundlichen Verkäuferinnen im Minimarkt auf dem Campus; teurer Alkohol und schlechtes Bier; die nicht schöner werdenden Möbel in den Dorms; das nie funktionierende Online-Portal der Uni; das ewige Warten auf öffentliche Verkehrsmittel, insbesondere an Sabbat; kitschige Radiomusik.

Israel hat aber nicht nur kitschige Radiomusik zu bieten. Wie vorab versprochen, habe ich mich auf die Suche nach interessanten, lokalen Bands gemacht und bin natürlich fündig geworden: Das Konzert von Hadag Nachash in Haifa war ziemlich energiegeladen und hat mich in die Welt des israelischen Hip Hops geführt. Nicht anders zu erwarten, sind die Inhalte sehr politisch, manchmal sehr zynisch und ironisch, oft auch sehr pessimistisch. Bei den Israelis gehen die Meinungen auseinander: Einige mögen die Band, andere tun sie in die Schublade lokaler Peinlichkeiten. Der Song «Shirat HaSticker» («Sticker Song») wurde vom israelischen Schriftsteller David Grossmann geschrieben und beinhaltet eine Ansammlung von populären und kontroversen israelischen Bumper Sticker Slogans. In ihrer Kombination repräsentieren sie die Komplexität und Widersprüchlichkeit der hiesigen Probleme und Brennpunkte auf eine sehr gelungene Art und Weise, wie ich finde. Viel Spass beim Eintauchen in die Welt meines vorübergehenden Zuhauses.

Interpret: Hadag Nachash, IL
Song: Shirat Hasticker
Album: Chomer MiKomi
Jahr: 2004

Internet: Wikipedia, MySpace, Band, Videoclip subtitled

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Pita und Humus essen

Artwork: Konzertplakat von Hadag Nachash in Haifa





Comments

Gefällt mir gut, hat irgendwie was von mfg von den fantas...

tammi léa, müemer di cho useboxe? du wirsch det zwunge "humus" (=erdä, oder nöd??) z'ässe (und Hip-Hop z'lose!)!!! :-P

in china essen sie hunde...

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