SOTW | Song Of The Week

SOTW #40-2006

Darf man das?

Teil 1 der Serie "SOTW-Leser fragen, Jonathan antwortet"

Darf ich Justin Timberlake's neues Album kaufen, es sogar gut finden? Als meine Freunde seinen Namen auf meinen Last.fm Charts entdeckten, haben sie mich einfach ausgelacht.
-Nah Tanoj, Zürich

Lieber Nah,

Eine sehr gute Frage (damit leiten kluge Leute wie ich immer dann Antworten ein, wenn ihnen die Frage etwas peinlich ist. Dieser werde ich mich nun trotzdem stellen müssen). Zwei Antworten hierzu, eine kurze und eine etwas längere:

Kaufen? Sicher. Wir leben ja im freien Markt und so. Und verboten ist "FutureSex/LoveSounds" ja nicht, ungeachtet des dümmlichen Titels. Also ja, kaufen.

Aber gut finden? Dazu abshaken? Den Groove, den Vibe und sämtliche andere Anglizismen spüren? Oder feelen? In dieser Frage geht es um Geschmack - und da gibts ja bekanntlich noch Regeln.

Für die, die es nicht mehr wissen, oder die es (wie die 13-jährigen Teenies, die "Justin Timberlake" gegooglet haben und in den Resultaten bis auf die 1308. Seite gescrollt haben - in der naiven Hoffnung, mehr oben-ohne-Fotos zu finden - und auf diese Page gestossen sind) nie gewusst haben: Justin Timberlake war mal Teil einer Boygroup namens 'N Sync.

Und 'N Sync machten schlechte Musik. Schlechte Musik für schlechte Menschen. Alles was dir, Nah, und jedem gebildeten SOTW-Leser ein Dorn im Auge, ja sogar eine Scherbe im Ohr ist. Oder, wie die Jungs es selbst am besten sagten: "Tearin' Up My Heart".

Also, Nah. Nickst du schon mit dem Kopf und denkst dir "Stimmt, Justin darf man nicht gut finden"? Dann bist du mir auf die Schliche gekommen. Denn jeder verdient eine zweite Chance - auch in der Musik.

Natürlich muss man vorsichtig sein und ins Vorstrafenregister schauen. Jahrelang bei 'N Sync Leadsänger gewesen? Britney Spears öffentliche seine Liebe gestanden? Dieser Timberlake startet bei uns mit einem grösseren Minus als Juve in der Serie A.

Und tatsächlich - hättest du, Nah, mir diese Frage nach der Veröffentlichung von Justin's Erstling "Justified" gestellt, ich hätte dir eine andere Antwort gegeben. "Eintagsfliege", "pures Glück", "gute Produzenten, sonst nichts" oder ähnlich hätte sie gelautet.

Doch jetzt ist "FutureSex/Lovesounds" draussen. Und es ist gut. Ob er darin einfach den lukrativsten Markt sieht, oder ob er vielleicht zuhause keinen Spiegel hat, ist egal: Der weisse Justin macht gute, unterhaltsame "black music". Und erreicht das Unmögliche: Man vergisst 'N Sync.

Stattdessen sieht man den frühen (schwarzen) Jacko und hört inmitten technoider R'n'B-Grooves, auf "Sexy Ladies", Prince ("it might sound cocky, but is it really cocky if you know that it's true?" - die Antwort muss er nicht geben). Und natürlich sind auch die Fingerabdrücke von Produzent Timbaland unverkennbar, dem es noch besser (weil subtiler) als Pharell gelingt, aus dem Ex-Boygroup-Bub Timberlake das männliche rauszuholen.

Also Fazit, Herr Nah Tanoj: Dieses Album mag der Popmusik-Geldmaschinerie entsprungen sein, aber du kannst, ja du sollst es gut finden. Und deinen ominösen Freunden kannst du ja mal die Basslinie in "Sexy Ladies" vorspielen. Oder einfach mit diesem Link in die neue Woche schicken.

Interpret: Justin Timberlake, USA
Album: FutureSex/LoveSounds
Song: Sexy Ladies
Jahr: 2006
Genre: Popfunk
Internetlink: www.justintimberlake.com

Artwork: Flickr user Bright Tal