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Massive Attack - «Atlas Air»

SOTW #06-2010

Musik zum Weiterfahren

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Von Soundtracks für das Leben lesen und schreiben wir ja öfters hier. Zuletzt hat Lea nach dem idealen Soundtrack für ihren Arbeitsweg vorbei an Memphis hinaus in die Industrie gesucht und ihn bei The Big Pink gefunden. Momentan bin auch ich gerade sehr glücklich über meinen 30+ Minuten Arbeitsweg, denn England hat mir einen neuen Soundtrack geschenkt. Und dies keinen Tag zu früh! Denn mein aktuelles Buch, das mich auch schon meine Haltestelle vergessen lassen hat, neigt sich leider dem Ende zu. Und da das Klima trotz ersten zaghaften Versuchen doch noch nicht 100% velotauglich ist, muss neuer ÖV-Stoff her.

Sieben Jahre nach dem je nach persönlicher Leseart langweiligen, mittelmässigen bzw. völlig unterbewerteten «100th Window» veröffentlichten Massive Attack gestern ihr neues Album «Heligoland». Benannt nach einer deutschen Insel, gestaltet wie ein Tricky-Album und - wichtiger - bepackt mit 10 sehr guten Tracks. Von den doch sehr synthetischen und fast schon aseptisch anmutenden Klangwelten von «100th Window» haben Massive Attack glücklicherweise wieder Abstand genommen und haben zum organischen Dröhnen, schnaufenden Bässen und auch deutlich wärmeren Sounds gefunden. Und um noch eine letzte Metapher zu strapazieren (Alan P. Scott lässt freundlich grüssen): Nach der kalten weltabweisenden Klangwelt des hundertsten Fensters sind wir auf Heligoland endlich wieder zu Gast in der schönen traurigen Ursuppe der Melancholie, die uns schmerzt und zugleich tröstet.

Das klingt jetzt alles etwas wirr, aber «Heligoland» zum ersten Mal zu hören, das war für mich wie nach Hause kommen. Und während andere vom Wandel als Kontinuität schreiben, verkörpert für mich Atlas Air, der wunderbare Schlusstitel des Albums, eine Art Massive Attack Best-Of. Der Song ist fast epische acht Minuten lang und bietet alles, was Massive Attack seit 1991 und «Blue Lines» zu einem Ereignis für jede ernst zu nehmende Hi-Fi Anlage macht: Tiefe Bässe, komplexe aber zugleich zugängliche Perkussions-Arrangements sowie eine sich fast hypnotisch entwickelnde Klangwelt, die sich wiederholt ohne sich abzunutzen. Klar, Atlas Air fehlt das sensationell Neue, das «Blue Lines» zu einem zeitlosen Klassiker gemacht hat - aber für meinen aktuellen Song of the Week qualifiziert sich das Werk trotzdem mühelos. Das lässt sich nicht nicht zuletzt daran ablesen, dass man mit dieser Musik im Ohr an dunklen und kalten Tagen, wie sie der Februar anscheinend noch zur Genüge auf Lager hat, an der Endstation gerne noch für eine weitere Runde im Tram sitzen bleiben möchte.


PS: Auch sehr empfehlenswert: «Girl I Love You" mit seinem majestätisch dunklen Sound.
PPS: Auch mit von der Party ist bei «Saturday Come Slow» unser aller Damon "Hans-Dampf-in-allen-Beat-Gassen" Alborn. Mehr Vorfreude als dieser Track macht jedoch das kommende neue Gorillaz-Album im März!


Interpret: Massive Attack, 2010
Album: Heligoland
Song: Atlas Air
Jahr: 2010

Internet: Album-Stream, Heligoland bei Wikipedia

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Tramfahren, zurücklehnen.

Artwork: M23 für SOTW





Comments

tatsächlich, helgoland heisst auf englisch heligoland. macht sinn! dein schöner text verleitet mich im übrigen dazu, ab nächster woche wiedermal meine köpfhörer mit auf den arbeitsweg zu nehmen... bei 30minunten im 4er lohnt sich das allemal...;)

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