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Meat Puppets – «Plateau»

SOTW #42-2009

Puppen aus Fleisch und Blut

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Dass Nirvanas fabulös meisterhaftes Unplugged-Konzert in New York viele Covers enthält, ist ja kein Geheimnis. Bowie erkennt man sofort und auch «Where did you sleep last night?», das (unter dem Titel «In the pines») auf Leadbelly, den grossen Folk-Songwriter, zurückgeht, aber zigmal neuinterpretiert wurde (u.a. meisterhaft von John "the Wolfking of L.A." Phillips). The Vaselines werden namentlich verdankt. Am meisten bedienten sich Nirvana für diesen Auftritt jedoch bei den Meat Puppets, von denen gleich drei Songs – «Plateau», «Oh me» und «Lake of fire» – übernommen wurden. Und all diese Songs stammen von einem einzigen Album, was offensichtlich auch Cobain (noch immer, er dürfte diese Scheibe als Jüngling geliebt haben) beeindruckte: "all these songs are from their second record", sagt er im Beisein der Gebrüder Kirkwood, zwei von drei Gründungsmitgliedern der Meat Puppets, die bei ihren drei Songs auf der Bühne mittaten, vor «Lake of fire». Und dieses Puppets-Album, schlicht «II» (was heisst da "schlicht", man denke nur mal an Led Zeps «II» oder auch an das kürzlich erschiene, wunderbare Album «2» von Darker my Love) betitelt, habe ich im Rahmen eines letzten Hamsterkaufs im Laden "RockOn" erstanden, nach dem es bereits einige Jahre in den staubigen Tiefen meines amazon.de-Wunschzettels gelegen hatte.

Tja, ich sollte diese Wunschliste wirklich schneller und konsequenter abarbeiten, aber man muss ja manchmal auch essen oder die Krankenkasse bezahlen. Diesen wilden, über Genre-Grenzen hinweg schwappenden Sound, der aus den angesprochenen Nirvana-Blueprints, Country-Anflügen und luftigen Instrumentals besteht und nirgendwo reinpasst, hätte ich echt früher entdecken sollen. Als ich rausfand (mein Expemplar ist eine Reedition von 1999, daher war mir das Erscheinungsdatum der Platte unbekannt, ich hatte es für mich auf Ende 80er datiert), dass das Album 1982 aufgenommen wurde, musste ich spontan ein Ei legen und dazu laut gackern. Hier hat sich einmal mehr ein Zeitfenster geöffnet. Als Punkrocker waren sie gestartet, wurden aber von der entsprechenden Klientel aufgrund der langen Matten und den Creedence-Covers nicht akzeptiert und entwickelten deswegen ihren eigenen Stil, der sich über – für Indie-Verhältnisse – äusserst virtuoses Gitarrenspiel und nicht zuletzt den hohen, aber nie gebrechlichen Gesang von Cris Kirkwood (Cobains Stimmbänder kommen in seiner Interpretation von «Plateau» durchaus an ihre Grenzen) auszeichnet und von – ebenfalls grossartigen – Zeit-, aber nicht unbedingt Artgenossen wie Black Flag oder Hüsker Dü abhebt.

Auch wenn ihr Sänger eine tolle Stimme hat, tun die Meat Puppets, was viel zu wenige (Alternative-)Rockbands tun: Auf den Gesang verzichten. Die Instrumentals auf «II» sind mitreissend toll und erinnern bisweilen an das Blonde on Blonde-Outtake «Number one» und bitte, grössere Komplimente können auf einem Musik(kritik)-Blog schlicht nicht verteilt werden. In diesem Zusammenhang lässt sich natürlich auch die Frage aufwerfen, ob die Frau, von der in «Lake of fire» die Rede ist, wirklich nur aus Duluth kommt, weil sich dieser Ort so schön auf "rabid tooth" reimt…

Wer ein wenig Zeit übrig hat, sollte sich mal die Band-Biografie unter dem unten angegebenen Wikipedia-Link zu Gemüte führen, da gibt es nämlich lustiges zu lesen. So pflegte Cris Kirkwood in den neunziger Jahren den klassischen, leider immer seltener praktizierten Rock’n’Roll-Lifestyle, der sich dadurch auszeichnet, dass man nur zuhause rumhängt und sich nach allen Regeln der Kunst zu dröhnt. Der einzige akzeptierte Grund für das Verlassen der eigenen vier Wände ist dabei das Beschaffen von neuen Drogen. Sein Bruder Curt hat dafür mal einen Wachmann vor der Hauptpost von Phoenix, Arizona verprügelt – mit dessen eigenem Schlagstock.


Interpret: Meat Puppets, USA

Album: II

Song: Plateau

Jahr: 1984

Internet: Band-Website, Wikipedia, Live mit Nirvana

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Nachdenken, ob man sich jetzt gleich oder vielleicht doch erst ein wenig später auf eine Hochebene begeben möchte.

Artwork: Freunde guter Musik gibt es überall. Jim, Bob, Jimi und John auf einer Wand in Brüssel.





Comments

Du hast nen Hamster gekauft? Darf der denn zusammen mit dir in deinem Hamsterkäfiggrossen Zimmer wohnen oder kriegt er einen eigenen Postschalter? Und wenn du Eier legen kannst wo zur Hölle war heute mein 3 min Ei?

Eigener Postschalten fuer den Hamster...haha...Hammer!

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