Moriarty- «Jimmy»
SOTW #42-2008
Bühne frei!
Liebe Leser
Schon viele Gute Konzerte wurden hier auf SOTW besprochen und einige davon habe ich selber besucht. In meiner langen Konzertteilnahmeerfahrung musste ich aber auch schon einiges einstecken und nicht immer war der Sänger/die Band daran Schuld. Dennoch habe ich beschlossen meinen reichen Erfahrungsschatz heute mit euch zu teilen unter dem Motto: Was macht eigentlich ein Konzert wirklich schlecht?
Eine Band für Kiddies
Meine miese Konzertreihe begann bereits im Alter von 12 Jahren, an meinem ersten Konzert, an welches mich meine Primarschulfreundin Zsola geschleppt hatte, weil sie nicht mit ihrem Mami, aber auch nicht alleine hinwollte: The Kelly Family. Einige von euch, mögen sich vielleicht für die Musik dieser irischen Strassenmusikerfamilie erwärmen. Ich konnte es nie. Und die Masse kreischender und weinender Mädchen machten es auch nicht besser. Eine Stunde vor Konzertbeginn stand die ganze Horde hauf, fing an zu kreischen und rannte nach vorn. Eine halbe Stunde später dasselbe. Und ich trottete jeweils hinterher. Nach dem vierten Mal nach Vornestürmen stand ich bereits in der zweitvordersten Reihe und das Konzert begann. Neben mir ein Mädchen, dass vor weinen kaum den Fotoapparat halten konnte. Was für ein Erlebnis! Nach einer halben Stunde zog ich mich auf die hinteren Ränge zurück und sass dort das Konzert aus. Fazit 1: Ein schlechtes Konzert ist, wenn man die Fans nicht mag.
Ein wahrhaft talentierter Musiker
Jahre später beging ich den Fehler einem guten Freund von mir zwei Tickets für das Pat Metheny Konzert zu schenken in der Annahme, er würde einen seiner Kumpel mitnehmen. Was ihr kennt Pat Metheny nicht? Den Gott der Jazzguitarre? Dann habt ihr alles richtig gemacht, denn wenn Mr. Metheny auch jeden Ton genau richtig trifft und immer den Takt hält, ich finde ihn grausam und sein Gedudel ist für mich nichts anderes als musikalisches Gittarrengewichse. Ich hasse Freejazz. All mein Betteln nützte nichts, und so musste ich ein sage und schreibe zweieinhalb Stundenkonzert über mich ergehen lassen und eine geschlagene Stunde zugabe. Viele von euch finden vielleicht, ein Konzert kann nicht schlecht sein, wenn der Musiker begnadet ist, für mich lautet jedoch Fazit Nummer 2 folgendermassen: Ein schlechtes Konzert ist, wenn man die Musik überhaupt nicht mag.
Gute Konzertkritiken, gute Musik, schlechtes Konzert
Ich mag Phenomden. Was nicht dran liegt, dass er in dieselbe Schule war wie ich (um ehrlich zu sein ich weiss wie er aussieht, aber ich war nie mit ihm befreundet und habe nie mit ihm gesprochen), und einen Song über mein Quartier verfasst hat (ja, ich bin Lokalpatriotin, und die Abstimmungen geben mir recht), nein echt ich mag seine Musik. Die Kritiken seiner Konzerte waren eigentlich immer sehr gut, weshalb ich dachte, nix wie hin und mir das ganze live antun. Grosser Fehler. Leider hielt es Phenomden für richtig, jedes (!!) Lied, nach jeder (!!!!) Strophe zu unterbrechen, um dem Publikum seine persönliche Message über das Leben, über Kindererziehung und Umweltschutz etc. zu predigen. Das schlimme daran, vermutlich jeder der an diesem Konzert war, teilte Phenomdens Meinung, weshalb die Predigt hinfällig war und er somit nur erreichte, dass ich (und das hatte ich zuvor noch nie gemacht) das Konzert nach einer halben Stunde verliess. Die in kleine halbminütige Puzzleteile zerfallenen Lieder konnte ich nicht länger ertragen. Keine Chance zu tanzen, keine Chance für gute Stimmung. Mein Tipp: kauft seine CDs, aber lasst die Finger von seinen Konzerten und so lautet Fazit 3: Ein schlechtes Konzert ist, wenn der Musiker seine Message nicht in seine Lieder packt.
Eine Band in die Musik versunken
In die Rote Fabrik lassen Sie nur gute Bands, hatte ich noch vor Konzertbeginn mit einem alten Freund von mir besprochen. Dies scheint aber nicht für Vorbands zu gelten. Die Vorband von Girls in Hawaii nämlich, mit dem vielversprechenden Namen Yakari, war leider etwas zu versunken in ihrer Musik. Streckenweise stand die ganze Band mit gesenktem Kopf und dem Rücken zum Publikum und düdelte vor sich hin. Tja wenn das ein geplanter avant-garde Effekt gewesen wär... wars nicht. Und das
Englisch des Sängers, selbst meine Grossmutter hätte das besser gekonnt. Ein Konzert ist auch immer ein bisschen Show, ein bisschen in Verbindung treten mit dem Publikum. Eine Bühne ist kein Konzertraum! Merkt euch das meine Musiker! Sonst komm ich nicht mehr! Fazit 4: Die Liebe zur Musik mach noch lange kein gutes Konzert.
So nah am Star
Oft steh ich in der ersten/zweiten Reihe und bis vor wenigen Wochen, war ich der Meinung, dass dies der einzig richtige Ort ist, um ein Konzert zu geniessen. Frontalangriff der Band. Bis ich am Konzert von Keith Kaputo im Abart stand. Der Sound war der Hammer, der Sänger beeindruckend, aber leider auch beeindruckend klein. Etwa so gross wie ein 12 Jähriger. Und da Lea und ich gerade frontal vor ihm standen, blieb uns der Blick direckt in seinen Mund hinter die Zähne nicht verwehrt. So fragte ich mich während des ganzen Konzerts ob Mr. Kaputo vielleicht mal eine Zahnspange getragen hat, aber da war echt kein Stabilisierungsdraht zu sehen. Echt jetzt. Hinzu kam, dass wir zusätzlich direkt auf die Setlist schauen konnten und neben uns ein 40jähriger Herr, im Streifenshirt, vielen auch bekannt als 'Wo-ist-Walter' wie wild tanzte. Ja Walter ist einer derjenigen, die man immer an einem Konzert trifft, deren Plattensammlung man gerne mal durchstöbern möchte, aber die man tunlichst zum danebenstehen vermeiden muss, oder man bekommt ein blaues Auge. 6 ganze Lieder verharrten wir ehrführchtig ohne in Lachen auszubrechen in unserer Poleposition. Danach mussten wir schleunigst in eine der hinteren Reihen wechseln und die Frage die uns den ganzen Abend
begleitete: Wie nah ist zu nah? Fazit Nr. 5: Ein schlechtes Konzert ist, wenn du auf die Setliste blicken kannst und dir der Betrunkene Sänger fast entgegenfällt.
Und da ich mich nun viel zu lange mit den schlechten Konzerten aufgehalten habe, und einige von euch im Lesemarathon bereits auf der Strecke geblieben sind, nur kurz ein Konzerttipp: Moriarty. Die Band hat mich so umgehauen, dass ich mir nicht nur das Album, sondern auch gleich ein Fanshirt kaufen musste.
Interpret: Moriarty
Album: Gee Whizz, But This Is A Lonesome Town
Song: Jimmy
Jahr: 2007
Internet: MySpace
Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs:
Artwork: Jan Delay Konzert Flickr user chriswoebken
Comments
Der alte Wo-ist-Walter-Typ ist einfach der Hammer!!! Wo ich bin, ist er oder vielleicht doch eher wo er ist, bin ich...oder anders: er ist immer und überall und manchmal ich halt auch...keine Ahnung. Auf jeden Fall halten wir uns beide immer wieder zusammen an guten Orten auf. Wie z.B. am besagten irritierenden Kleinwuchskonzert.
Und à propos Fazit Nr.4: Geb ich dir vollkommen recht, die haben genervt. Genauso wie der Support vom Support am Zutons Konzert, wie sich vielleicht die Jungs noch dran erinnern. Diese komischen Iren oder Isländer oder was auch immer, die die Intensität ihrer Kompositionen nicht durch ihre Musik (wieso sollten sie auch, sie sind ja nur Musiker) sondern durch das exzessive Geschlossenhalten der Augen ausdrücken mussten. Sie sollten mal in der blinden Kuh auftreten. Ich glaub, ich probier diese Taktik auch mal: Den nächsten SOTW bitte nur mit geschlossenen Augen lesen. Ich verspreche euch, er wird dadurch erstaunlicherweise besser...
Und da kommt mir auch grad noch ein Merkmal in den Sinn, das ich letzten Samstag bei einer aufstrebenden Zürcher Band (=wir versuchen die neue Hausband vom Abart zu werden)beobachten konnte: Der Bassist hatte sich komischerweise (vielleicht auch zwecks Zwergenbühne) um 90 Grad vom Publikum abgewandt und sehr intensiv und verträumt (lies: desinteressiert) an die Wand gestarrt und diese von Zeit zu Zeit angesungen/angeschrien. Auch ganz unvorteilhaft. Keith Caputo hätte sicher genug Platz auf der Bühne gefunden, sogar mit Bass.
Und wenn ich schon so dabei bin: Weiteres Merkmal für schlechtes Konzert: Wenn es sich 60 Minuten lang wie ein einziges Lied anhört. Scheint mir irgendwie zu lange. So gehört von der wahrscheinlich eben nicht so baldigen Hausband des Abarts. Da wird der Club seinem Namen gerechter beim Aufbieten von abartig betrunkenen 12jährigen. Oder von 12 Jahre lang betrunkenen abartig Kleinen. Oder von... jaja, ist ja schon gut.
Cheers
Posted by: Lea | 21.10.08 13:33
Wow, da hat ja jemand noch ein grösseres 'miese Konzerte'-Rucksäckchen zu tragen als ich... Ich zitiere hier mal den James Hetfield: "Die Fans brauchen ein bisschen show, Sie wollen dir nicht zusehen, wie du 2 Stunden auf deine Schuhe starrst."
Was auch in die Sparte uninspirierte Musiker gehört ist, wenn Sie am Konzert eins zu eins die Platte nachspielen... Hey die Platte kann ich mir immer anhören, ich will auch was neues an nem Konzert
Posted by: Lu | 23.10.08 13:08