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My Latest Novel – «Sister Sneaker Sister Soul»

SOTW #31-2009

Wenn Musik die Nacht erfüllt

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Ich bin leidenschaftliche Spaziergängerin. Insbesondere mag ich das Genre des „Städtespazierens“. So nennt sich das regelmässige Ablaufen von Strecken in gut besiedelten Gebieten, für die eigentlich der öffentliche Verkehr angedacht wäre. Leute, die diese Art der Fortbewegung pflegen, leiden des Öfteren an Insomnia oder, zugegebenermassen wahrscheinlicher, an Arbeitslosigkeit. Jedenfalls verfügen sie stets über mehr Zeit als ihre Mitmenschen. Städtespazierer sind dadurch gekennzeichnet, dass sie inkognito unterwegs sind. Sie sehen explizit nicht aus wie typische Wanderer, sondern vermeiden jegliche Differenzen zu anderen Städtern. Bei genauem Hinsehen lassen sich jedoch eindeutige Merkmale ausmachen. So zum Beispiel vermehrt auftretende Blasen an Füssen (exzessives Laufen in Flip Flops) oder das Mitführen übergrosser Beuteltaschen. Diese beherbergen nebst Badetüchern meist eine erstaunliche Auswahl an kultureller Unterhaltung in Form von Büchern und Wochenzeitschriften. Ein deutliches Erkennungszeichen eines Städtespaziergänger-Lesers sind Pestalozzi-Bibliothekskleber auf neuen Hardcover-Romanen (40.-/Buch-Problematik). Des Weiteren ist der durchschnittliche Städtespazierer begeisterter Musikhörer und deshalb immer mit Kopfhörer unterwegs. Die grosse Kunst diesbezüglich liegt darin, einen passenden Soundtrack für die abzulaufende Strecke zu finden und die Lautstärke dann so zu regeln, dass man diesen trotz Tram und Bauarbeiten hört, jedoch keinen Hörschaden davonträgt.

Eine leicht abgeänderte Version dieser Extremsportart lässt sich in grösseren Städten unter Jugendlichen beobachten – das so genannte „Städtespazieren by Night“. Gerne wird dann statt der Beuteltasche ein Fahrrad nebenher geschoben oder ein Bier in der Hand gehalten. Zudem sind Fälle von Desorientierung, schwankendem Gang oder gar Gruppenspazieren bekannt. In Expertenkreisen heisst es, dass diese Art des Spazierens oft zwangsweise initiiert wird, nämlich aufgrund fehlenden ÖV’s. Die spezielle Herausforderung des Spazierens in der Dunkelheit besteht darin, Musik zu finden, die einem trotz der Einsamkeit und Unheimlichkeit der Strassen, Geborgenheit und Ruhe vermittelt. Den Roman für die Nacht, sozusagen. Was My Latest Novel fürs dunkle Zürich ist, verrate ich euch gerne.

Es ist eine Indiefolk-Band aus Glasgow, Schottland. 2006 veröffentlichten My Latest Novel ihr Debütalbum Wolves, welches auf gute Kritiken stiess und ihnen Vergleiche mit Arcade Fire einbrachte. Diesen Mai haben sie nun ihr lang ersehntes, zweites Album herausgebracht, welches mit Death and Entrances den Titel eines Dylan Thomas’ Gedicht trägt und auch in diesem Sinne geschrieben und komponiert wurde. Der Sound der Band hat mit seinen orchestralen Bausteinen einen episch-pathetischen Touch und vermittelt so teilweise eine eher düstere Stimmung. Eben deshalb ist es perfekt für das nächtliche Stadtspazieren, auch genannt Heimlaufen. Mein Favorit dafür ist ein Song vom letzten Album mit dem passenden Titel Sister Sneaker Sister Soul. Dazu schleiche ich nun manchmal zu später Stunde durch zürcherische Strassen, auf der Suche nach ihrer und meiner Seele und warte darauf, dass „sunshine comes and steals my night time“.

Interpret: My Latest Novel, UK
Album: Wolves
Song: Sister Sneaker Sister Soul
Jahr: 2006

Internet: Myspace, Death and Entrances by Dylan Thomas, Sister Sneaker Sister Soul on YouTube

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Stadtspazieren, wahlweise by night.

Artwork: Züri-Friends-Brunnen by Night.





Comments

Also meines Wissens hat bei dir die Desorientierung weder mit Bier noch mit der Dunkelheit was zu tun, oder? Aber in eine grosse Beuteltasche würde auch ein iPhone.

Bösesböses iPhone! Meines hat nämlich den Rest von obenstehendem Satz abgeschnitten. Da gehört natürlich noch das Wort "passen" hin.

Stimmt, mit dem iPhone könnte ich ja dann auch endlich alle diese vielen Termine, die ich momentan habe, koordinieren... aber ich glaube kaum, dass ich den Weg in den Apple Store jemals finden würde.... ;-)

Harte Konkurrenz für meine - nicht ganz so musikalische - Begleitung auf nächtlichen Wanderungen à la letzten Freitag... ;-)
Aber jetzt seh ich, warum mein Veloangebot so konsequent abgelehnt wird...

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