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OMC - «How Bizarre»

SOTW #48-2009

Katalysatortürme

sotw48.jpg

Es ist Abend, es schneit. Der Winter hat Zürich eingeholt und neben der Bahnhofstrasse strahlen am Löwenplatz Sterne aus Pet-Flaschen um die Wette. Laserschwert-Romantik gegen Öko-Kitsch, wer ist die schönste Adventsbeleuchtung im Land?

Das Timing hätte nicht besser sein können. Just als sich Helvetien in einer der weltweit wohl emotionalsten Baurechtsabstimmungen zur Agrar- und Heimatschutznation bekannte, legte sich besänftigend der Schnee über unser Land. Schlafe jetzt, Helvetia. Ruhe dich aus.

Verwundert reiben wir uns die Augen, fragen uns, wo sich denn diese nette Schweizer Mehrheit sonst so versteckt, unter dem Jahr, wenn es also nicht gerade an der Urne Farbe zu bekennen gilt. Wir müssen sehr naiv sein oder blind, wenn wir bisher auf den guten Menschenverstand vertrauten und diese und jene Bemerkung als Ausrutschter erklärten. Das Abstimmungscouvert ist kein Ausrutschter. Und es wäre ein Fehler, wären wir jetzt nur moralisch verschnupft. Denn die Sache ist ja komplizierter als sie auf den ersten Blick scheint, und eine der vielen Fragen die sich jetzt stellen, ist folgende: Wie viele Stellvertreterabstimmungen soll sich unser Land leisten, in denen jene, die die Initiative befürworten, nicht nur gegen das sind, was die Initiative zum Inhalt hat und jene, die gegen die Initative sind, nicht innige Befürworter jenes Gegenstandes sind, den die Initiative zu bekämpfen vorgibt. Man kann es an der Anzahl Kommas ablesen: Es ist kompliziert.

Das Bizarre am vergangenen Wochenende aber ist, dass es sich beim vielbeschworenen «Kampf der Kulturen» nicht (nur) um einen (vermuteten) Konflikt zwischen Christen und Muslimen handelt, sondern wir offensichtlich auch einen innerschweizerischen «Kampf der Kulturen» auszutragen haben. Das ist zwar nicht neu, trat aber dieses Mal so stark wie noch nie zu Tage. Im Rahmen eines Referendums über das Pro und Kontra der Zusatzfinanzierung einer Dorfkläranlage zu streiten, unterscheidet sich grundlegend von der Tragweite eines politischen Entscheides, der am Ende nichts weniger als eine Grundsatzfrage betrifft: Beschützen wir unseren helvetischen Gründungsmythos inkl. einer Aufhebung der Trennung von Kirche und Staat oder bekennen wir uns zur einer Schweiz, die international vernetzt ist (statt isoliert), sich der Zukunft zuwendet (statt der Vergangenheit), die die Innovation liebt (statt die Tradition) und den Dialog pflegt (statt Denkverbote)?

Das Nützliche am vergangenen Wochenende ist also, dass es zeigt, wie wichtig diese Grundsatzdebatte ist und dass sie jetzt endlich in Gang kommen muss - eine Debatte notabene, die eigentlich vor der Abstimmung hätte geführt werden müssen. Das Feld komplett einem einzigen Akteur zu überlassen und darauf zu vertrauen, dass doch alles gut kommt, ist definitiv der falsche Weg.


Interpret: OMC, NZ
Album: OMC
Song: How Bizarre
Jahr: 1996

Internet: NZZ-Archiv zur Minarett-Initiative, Wikipedia-Artikel zum Song

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Denken. Reden.


Artwork: Dort gibt es mehr als vier - Minarett in Sarajevo von Flickr-User blandm





Comments

tja das ganze steht für mich unter dem Titel Prekariat und Prokrastination. Erstere haben gewählt und das zweite wurde von der Nein-Seite betrieben...

Tobi, bisschen verspätet zwar, aber trotzdem noch ein Kompliment für diesen Text. Mir fehlen irgendwie die Worte bei diesem Thema...

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