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Elliott Smith – «A Fond Farewell»

SOTW #7-2009

Ein bisschen weniger als ein glücklicher Rausch

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Bei Elliott Smith handelt sich um einen ganz ausserordentlich spannenden Fall, und zwar sowohl für Liebhaber guter Musik wie auch für Liebhaber kniffliger Kriminalfälle. Während wir uns über die Qualität von Smith' musikalischem Werk wohl nicht zu streiten brauchen – zweifellos handelt es sich bei diesem Künstler um einen der grossartigsten Singer/Songwriter/Multi-Instrumentalisten der Neuzeit – stellt sein gewaltsames Ableben noch immer ein grosses Rätsel dar, dessen Lösung wohl selbst für Poes Meisterdetektiven Dupin eine ebenso reizvolle wie dornige Aufgabe gewesen wäre. So seltsam die Umstände von Smith' Tod jedoch auch waren – seine Freundin, die sich zur Tatzeit zwar in derselben Wohnung, allerdings auf Grund eines Streits im Bad eingeschlossen aufhielt, fand den schreienden Smith mit Stichwunden in der Brust am Boden liegend, wobei das Messer noch immer in seinem Körper steckte – entlaufene Orang-Utans können hier als Täter allerdings wohl mit gutem Gewissen ausgeschlossen werden. Die Polizei von Los Angeles taxierte den Tod aus Mangel an Beweisen und Hinweisen als Selbstmord, auch wenn es Stimmen gab, die es auf Grund der Winkel und den Tiefen der Stiche für unmöglich hielten, dass sich Smith diese Wunden selbst zugefügt haben konnte.

Der Fall schreit somit eindeutig nach einem Einsatz von Privatdetektiv Philip Marlowe, der sich ja Jahrzehnte zuvor auch des Öfteren in der Gegend von Silver Lake (bei Chandler allerdings "Gray Lake" genannt), wo Smith – notabene wie viele andere Exponenten der Los Angelesken Indie-Rock-Szene – wohnte und auch starb, rum trieb. Da der gute Marlowe jedoch bereits seit einiger Zeit verschwunden ist und LAPD-Inspektor Columbo inzwischen an Alzheimer leidet – ganz abgesehen davon, dass sich Columbo nur mit Fällen beschäftigt, die in den reichen und vornehmen Stadtteilen und Gesellschaftsschichten angesiedelt sind und er sich somit niemals rüber nach Echo Park, Downtown L.A. bequemen würde – werden wir wohl nie erfahren, was sich an jenem Nachmittag tatsächlich abgespielt hat. Smith selbst konnte bei der Aufklärung auch nicht mehr helfen, da die geschockte Freundin als erstes das Messer aus der Brust des Sängers zog, was diesen sofort kollabieren und in der Folge leider sterben liess. Ausserdem wurde der Körper alsbald verbrannt, was weitere Untersuchungen für alle Zeiten verunmöglichte. Eine zuvor noch durchgeführte Obduktion zeigte (erstaunlicherweise), dass Smith zum Zeitpunkt seines Ablebens keinerlei Drogen oder ähnliches intus hatte. Was mit der Asche des Sängers passierte, entzieht sich ebenfalls der Kenntnis der Öffentlichkeit und so mutierte mangels eines Grabes eine Wand in der Nähe des Solution Audio Studios am Sunset Boulevard, vor der Smith für das Cover seines Albums «Figure 8» posiert hatte, zur Pilgerstätte für Fans und Freunde, da sich diese dort mit Graffiti und Botschaften verewigen konnten.

So selt- und gewaltsam sein Tod, so schön und filigran waren und sind viele von Elliott Smith’ Songs, von denen euch einige aus diversen Hollywood-Filmen bekannt sein dürften, auch wenn ihr den Namen des Künstlers noch nie gehört haben solltet. Das hier vorgestellte Lied «A Fond Farewell» ist auf dem Album «From a Basement on the Hill» erschienen, an dem Smith über vier Jahre lang gearbeitet hat und dessen Veröffentlichung er aus obigem Grund leider knapp nicht mehr miterleben konnte. Da die Rechte an seinem Werk nach seinem Tod an seine Familie überging und diese einige Songs, die sich mit Elliotts Kindheit bzw. dem Verhältnis zu seinen Eltern befassten, aus der Songliste gestrichen hat, umweht das wunderbar tolle Album der schale Wind der Unvollständigkeit. Wer diese Information aber nicht hat (zu spät, hehe) oder aber ausBlenden – durchaus im Sinne Smith', der zu Lebzeiten ja wahnwitzig-spektakuläre Drogengewohnheiten pflegte – kann, der wird sich stunden- und tagelang an diesem Meisterwerk des (mehrheitlich) leisen, subtilen und teilweise wunderbar depressiven Songwriting erfreuen und es schliesslich nicht erwarten können, sich von Platte zu Platte – inklusive der im letzten Jahr erschienen Raritäten- und Outtake-Sammlung «New Moon» umfasst Smith' Gesamtwerk sieben Alben – tief in die neunziger Jahre zurück zu hangeln.


Interpret: Elliott Smith, USA
Album: From a Basement on the Hill
Song: A Fond Farewell
Jahr: 2004

Internet: Fansite, Memorial-Wand am Sunset Blvd., «Lucky Three» - Kurzfilm über E.S., Wikipedia (featured article)

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: In Gedenken an den Künstler etwas Heroin mit Crack mischen, kurz aufkochen, gut umrühren, langsam rauchen.

Artwork: Der Mond, von mir verwackelt.





Comments

ach schaade, war es sicher kein Orang Utan bzw. ein Mord in der Rue Morgue?

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