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Ray LaMontagne – «Empty»

SOTW #16-2009

Wenn's nicht sein soll

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Auf dem Bett sind alle Sachen ausgelegt, die für den Kurztrip mit den Freunden in die Reisetasche müssen. So ein Tapetenwechsel ist genau das, was er jetzt braucht. Die letzten Wochen waren nicht gerade die einfachsten, wenn auch eigentlich nicht viel passiert ist. Vielleicht gerade deshalb. Nichts hat sich so ergeben, wie es geplant war. Alles befindet sich immer noch in der Schwebe, das Wort Zukunft ist noch mit keiner Bedeutung versehen. Jobs und Frauen. Beides komplizierte Angelegenheiten, nicht leicht zu finden und meist eher schwierig zu mögen. Deshalb spricht man ja auch von Traumjobs und Traumfrauen – beides eben nicht von dieser Welt. Ersteres macht ihm jedoch nicht ganz so viel Sorgen. Wenn er sich mal anstrengt, dann ist er ziemlich gut in dem was er tut und das weiss er, auch wenn er es gerne anders darstellt. Er hat eine ziemlich konkrete Vorstellung von dem, was er machen möchte, redet aber nur selten darüber, da es nicht unbedingt mit seiner Vorstellung von dem, was er gerne wäre, vereinbar ist. Generell erzählt er nicht viel aus seinem Leben, nichts von Bedeutung jedenfalls. Trotzdem ist er ein sozialer Mensch, hat ein überdurchschnittlich grosses Mitteilungs- und Aufmerksamkeitsbedürfnis. Er hat viele Freunde, wird gern gemocht. Doch wirklich kennen tun ihn nur wenige. Und das ist ganz gut so, findet er.

Während er mit viel Bedacht seine Reisetasche füllt, wird ihm bewusst, dass er noch nie mit einer Frau in die Ferien ging. Das könnte einerseits daran liegen, dass er nicht viel wegfährt oder aber daran, dass er bisher noch keine Frau gefunden hat, mit der er gerne wegfahren würde. Sein Frauenkonsum ist einundzwanzigstes Jahrhundert, westeuropäischer, pillen- und kondomgesellschaftlicher Durchschnitt – nicht viel, sicherlich nicht wenig, aber vor allem unbefriedigend. Ein leidiges Spiel, das er schon seit einiger Zeit verloren zu haben glaubt. Dabei hätte alles anders laufen können, wenn eben alles anders gelaufen wäre. Es gibt nämlich ein Mädchen, sein Mädchen, nur dass sie nicht seins ist und dies, wenn man es genau nimmt, auch nie war. Kennen gelernt haben sie sich vor etlichen Jahren auf einer Uniparty. So ein feucht-fröhlicher Freundesfreunde-Anlass, die perfekte Gelegenheit sozusagen. Sie hat ihm von Anfang an gefallen, gefällt ihm immer noch, obwohl sie keine Schönheit ist und eigentlich nicht wirklich sein Typ. Sie war anders als die anderen, irgendwie unnahbar und doch so vertraut. Sie haben zusammen geschwätzt, getrunken und gelacht und für die Freunde war klar, daraus wird mal was. Doch nichts passierte – zu lange nichts. Immer wieder kreuzten sich ihre Wege, absichtlich unabsichtlich. Er freute sich immer, sie zu sehen, auch wenn sein Herz dabei in die Hose rutschte. Nie wusste er, was sagen, wie mit ihr umgehen. Er wusste nur, dass er sie wollte. Sie dagegen schien keineswegs Interesse zu haben. Nicht auf diese Weise jedenfalls, ansonsten hätte sie ja auch einmal einen Schritt in seine Richtung gewagt. Gerne wäre er mal mit ihr alleine gewesen, hätte sie zu einem Date eingeladen, irgendwas, Kino, Essen oder so. Aber damals, da war er noch klein und unbeholfen und hatte keine Ahnung, wie er dieses Anliegen vorbringen könnte, also schwieg er. Er sagte auch nichts, als er sie eines Abends nach Hause fuhr und sie ihn vor ihrem Haus in seinem Auto zum Abschied auf die Wange küsste. In dieser Nacht, als die Autotüre ins Schloss fiel, war es deshalb auch zu Ende. Der Moment ging vorüber, die Chance verpasst. Heute weiss er das.

Lange ists her, denkt er sich, als er sein Gepäck schultert. Er sucht die Fernbedienung, die mal wieder irgendwo zwischen die Sofas gerutscht ist. Im Fernsehen läuft grad eine dieser amerikanischen Drama-Serien, wo sich schöne Menschen zu einem kitschigen und herzzerreissenden Ray LaMontagne Song trennen. Ausschalten, sofort. Er fragt sich, was wohl gewesen wäre, hätten sie es damals hingekriegt. Sicherlich hätte er sich das Daten erspart, das er inzwischen gelernt und an vielen ausprobiert hat. Er hatte zwar jeweils Spass, es waren gute Frauen, lustige, schöne, intelligente Wesen, aber trotzdem landete er immer wieder bei ihr. Er hat sie nämlich doch noch rumgekriegt. Irgendwann im Laufe der Zeit. Einfach zu spät. Bis dahin war die Verliebtheit zu verkorkst und die Distanz und Gleichgültigkeit, die sie dieser Beziehung gegenüber hatte, verhinderte das erneute Aufleben sowieso. Die Schutzmauern um sein Herz wurden mit jeder gemeinsamen Nacht grösser, die Vertrautheit und das Vertrauen jedoch immer kleiner. Sie wollte ihn nämlich nicht, nicht wirklich, und das spürte er mit jeder Berührung, mit jedem Wort. Aber so für zwischendurch, bis sie den Mann an ihrer Seite gefunden haben würde, war er schon ok. Er war wenigstens da, hörte zu. Sie konnte ihm alles sagen, er hatte Verständnis. Sie waren sich nah und doch so distanziert. Je mehr er von ihr wusste, je öfter sie ihn brauchte, desto mehr ging in ihm kaputt. Beide wussten, dass sie wussten, dass das nichts wird. Deshalb haben sie auch nie viele Worte darüber verloren. Er mochte sie dennoch. Sehr sogar.

Am Bahnhof kauft er sich noch Essen für die Fahrt ein. Während er auf seine Freunde wartet, schreibt er ihr noch eine SMS. Es geht um nächste Woche, sie wollen was zusammen unternehmen. Sie sind mittlerweile gut befreundet. Oder so. Das gefällt ihm, darüber ist er erleichtert. Sagt er zumindest. An guten Tagen. Sie schreibt ihm natürlich nicht zurück, tut sie nie, nicht sofort jedenfalls. Keine falschen Signale senden. Das Treffen wird trotzdem zustande kommen. Sie wird sich darüber freuen. Er auch. Wenigstens für den Moment.

Interpret: Ray LaMontagne, US
Album: Till The Sun Turns Black
Song: Empty
Jahr: 2006

Internet: Empty on Youtube , Ray LaMontagne , MySpace

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Dingen nachtrauern. Sich verabschieden. Packen. Wehmut und Heimweh kennen lernen.

Artwork: Lea für SOTW








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