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Hawkwind - «Brainstorm»

SOTW #26-2007

Am Nachmittag

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Eigentlich hatte ja alles sehr gemütlich begonnen. Ich war unterwegs zum Stern Alpha Centauri und meine Rakete, ein nachgebautes Wostok-Modell der 5. Generation, schien tatsächlich für einmal ohne ihre üblichen Macken auszukommen. Sterne und anderes Weltraumzeugs flogen in hoher Geschwindigkeit links und rechts an mir vorbei. Da ich die Erdatmosphäre und damit das innerhalb dieser geltende Null-Drogen-an-Bord-von-Flug-und-anderen-Körpern-Gesetz bereits hinter mir gelassen hatte, beschloss ich, mir eine Dose Bier aus dem Kühlfach in der Raketenküche zu holen und mein Schicksal dem Autopiloten zu überlassen. Ich verliess das Cockpit und stand in einem kleinen Raum, der, neben derjenigen durch die ich gekommen war, drei weitere, völlig identische Türen und sonst rein gar nichts enthielt. Hinter der einen Tür befand sich die Küche, hinter der anderen der Notausgang und hinter der letzen der Zonk. Ich verfluchte mich selbst, dass ich in der Kosmonautenschule immer nur das MAD Magazine gelesen und nie aufgepasst hatte. Welche Tür war welche? Und wieso zum Teufel waren diese verfluchten Türen nicht mit klärenden Piktogrammen versehen? Nach zwei Runden Ene, mene, mu entschied ich mich für die Linke. Ich hatte Glück. Es war tatsächlich die Küche! Freudig hüpfend hopste ich den Raum, rutschte auf dem (vor dem Start) frisch gewienerten Boden aus und fiel Kopf voran auf den Selbstzerstörungs-Knopf. Das war natürlich Pech. Ich rappelte mich auf und rannte zurück in den Raum mit den vier Türen und öffnete die mittlere. Es war der Notausgang. Ich sprang raus und fiel runter. Kurz darauf fiel mir auf, dass ich versäumt hatte, meinen Raumanzug anzuziehen und, was mich noch viel mehr ärgerte, dass ich vergessen hatte, eine Hopfenkaltschale aus dem Kühlschrank mit zu nehmen. Und so fiel ich, bis alles rundherum schwarz wurde. Jahrmillionen später schlug ich irgendwo hart auf.

Nackt, genau so wie Gott und Bier mich einst geschaffen hatten, stand ich mitten auf einer nächtlichen Strasse. Glücklicherweise war sonst niemand da. Nachdem ich mich einige Sekunden lang mit den wichtigsten Fragen, nämlich wo zum Teufel denn all die Leute sind, wie zum Teufel ich hier hin gekommen bin, was zum Teufel ich hier überhaupt zu suchen hatte und wieso zum Teufel ich keine Kleider anhatte, befasst hatte, aber keine schlüssigen Antworten finden konnte, beschloss ich, mich von der Strasse zu schaffen und mich nach Kleidungsstücken umzusehen. So schlich ich den dunklen Hausmauern entlang. Ausser ein paar erleuchteten Fenstern wies nichts auf die Präsenz anderer Lebewesen hin. Die Strassenbeleuchtung war eingeschaltet und auch die Verkehrsampeln funktionierten einwandfrei, die Lichter wechselten in regelmässigen Abständen von Grün auf Orange und dann auf Rot und wieder zurück. Allerdings gab es überhaupt keine Fahrzeuge. Ich wartete bis die Ampel wieder beim grünen Licht angelangt war und überquerte die Strasse.

Langsam begann ich zu frieren. Ausserdem war mir inzwischen eingefallen, dass ich mich ja für diesen Nachmittag mit Baron August II zum Zeppelinflug verabredet hatte. Ich beschloss, auf direktem Weg zum Luftschiffhafen zu gehen. Auf dem Weg fand ich einen Kartoffelsack, den ich ausleerte, mit meinem Messer zwei Löcher reinstach, die Beine hindurchstreckte und den Sack vor der Brust zusammenband. Als ich beim Hafen ankam, war bereites wieder Nachmittag und der riesige Zeppelin glänze matt in der grellen Sonne. Ich sah den Baron und trat zu ihm hin. Er sah mich an, als wäre er Zeuge eines Autounfalls – und ich der Autounfall. In der Aufregung hatte ich leider völlig vergessen, in welch schäbiger Kleidung ich gewandet war. Ich öffnete gerade denn Mund, um meine seltsame Aufmachung und meine Verspätung zu erklären, als mich der Baron mit einem saftigen Schwinger, den er äusserst präzise auf meine völlig überraschte linke Schläfe platzierte, ins Reich der Sterne beförderte.

Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem pompösen Salon und sass an einem grossen Spieltisch. Ein paar Karten wurden mir hingeworfen. Nach einem kurzen Blick auf ihren Wert warf ich sie wieder dahin zurück, wo sie hergekommen waren und griff in eine Zigarrenschachtel und beförderte eine riesige Zigarre, welche die Form eines Zeppelins hatte und nur wenig kleiner war als ein Regenschirm zu Tage. Genüsslich schmatzend zündete ich sie an und erstarrte jäh, da mich plötzlich ein ungutes Gefühl meine Garderobe betreffend beschlich. Ein kurzer Blick nach unten beruhigte mich allerdings sofort wieder. Ich war meinen Kartoffelsack losgeworden und war statt dessen vom Baron mit einem dem Anlass entsprechenden Frack ausgestattet worden. Inzwischen war der Zeppelin abgehoben und einige Leute standen an den Fensterreihen, um die Aussicht über die immer kleiner werdende und schliesslich ganz verschwindende Stadt zu geniessen. Mir wurde schlecht. Ich winkte dem Kellner und verlangte weitere Beruhigungsmittel, die ich mir trotz seinen zur Vorsicht mahnenden Gesten auf der Stelle alle miteinander einwarf und runterschluckte. Ich stand auf und begann in Richtung meiner Koje loszutorkeln. Nach einem unglaublichen Irrgang, der von unzähligen ungeschickten Stolpern und unfreiwilligen Kontakten mit diversen Wänden und Treppenstufen gesäumt war, erreichte ich schliesslich mein Bett und warf mich mit letzter Kraft und einem grossen Seufzer hinein. Dann war ich unterwegs nach Alpha Centauri.


Interpret: Hawkwind, UK

Album: Doremi Fasol Latido

Song: Brainstorm

Jahr: 1972

Internet: Band, Wikipedia

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Trippen und träumen.

Artwork: Mathis, "???" (Ausschnitt) .





Comments

Männer und die Logik der Mode...Fürs nächste Mal: Sich die Zeit nehmen und drei Löcher in den Sack machen und den dann andersrum über den Kopf stülpen ;)

naja er dachte sich wohl, besser Obelix als Falballa :-P War denn der Sack wenigstens blau-weiss-gestreift?

wenn ich das so lese, dann frag ich mich, ob du nicht douglas adams bist und infolgedessen douglas adams wiklich tot ist. wobei ja die möglichkeit besteht, dass douglas adams tatsächlich tot ist und ich, beziehungsweise du, das so nicht wahrhaben möchte.

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