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The Sonics - «Strychnine»

SOTW #05-2010

Nummer 49 wird ausgerufen!

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I
Heute wollen wir mal dem alternativen Postsystem huldigen. Leute wie ich und zweifellos auch wie ihr, denn als Leser dieses Blogs seid ihr zweifellos hochgradig subversive Subjekte, schicken sicher keine wichtigen Briefe über die normale Post. Wie jeder, der sich eigenständige Gedanken erlaubt und der Konditionierung der staatlichen und kommerziellen Institutionen weiter als dem erlaubten Rahmen entgangen ist, wird bekanntlich konstant überwacht. Die elektronische Post scheidet für ernsthafte Kommunikation natürlich ganz aus. Gar nie sollte dieser Weg zum Informationsaustausch verwendet werden, von Telefonaten wollen wir gar nicht erst sprechen. Brieftauben sind ebenfalls unsicher, zu viele von ihnen wurden vom Staat selbst trainiert und unter die Händler auf den illegalen Tiermärkten gemischt, also Hände weg, denn diese Tiere legen alle einen Zwischenhalt im Informationszentrum ein und glaubt mir, egal wie gut Ihr Eure Nachrichten verschlüsselt habt, die Jungs dort knacken euren Code mit dem Aufwand, den es braucht, um eine Fertigsuppe zuzubereiten.

Nein, die einzige Möglichkeit, sicher im Untergrund zu kommunizieren bleibt Trysteros Postsystem. Ihr müsst allerdings sicher gehen, dass Euch auf dem Weg zu einem der entsprechenden Briefkästen niemand folgt. Den Briefkasten selbst erkennt ihr am gedämpften Posthorn, dem Symbol der freien Korrespondenz. Sprecht nie darüber. Erwähnt NIEMALS den Namen Ts (oh je, ich hab’s weiter oben bereits getan). Verliert die Geduld nicht, wartet ruhig und still auf sein Reich, das Turn-und-Taxis-System wird irgendwann zusammenbrechen!

II
Es gibt ja mehr als genug Menschen, die ihr Leben nach Büchern richten. Die meisten richten es gar nach den zwei, drei gleichen Büchern, die alle zwischen ein und zwei Jahrtausende alt sind. Wie unmündig, doof und verheerend für die Weltgeschichte! Ich wähle mir meine Bücher deswegen lieber selber aus, werde aber offensichtlich immer herfiger daran gehindert: Kürzlich war ich in einem Einkaufszentrum und stakte zwecks Zeitvertrieb in einen Buchladen. Nach 30 Sekunden Rumgestöbere stand fest: Dieser Buchladen kann absolut gar nichts. Eine Krimi-Abteilung ohne ein einziges Werk von Dashiell Hammett und Raymond Chandler ist keine Krimi-Abteilung, sondern ein Kinderbuchstand und ein unseriöser dazu! Den Krimi vom Daniel Depp, den ich mir gerne reingepfiffelt hätte, gab’s natürlich auch nicht. Also rüber zu den Romanen, um meine P.-Sammlung zu komplettieren. Auch kein einziges Buch P.! Langsam wurde es unheimlich, nackter und purer Horror stieg mir aus der Leiste durch den Magen via Gurgel ins Hirn: Irgendetwas stimmt hier nicht. Was auch immer das hier war – ein getarnter Treffpunkt für Alt-Fröntler, ein besonders perfid kaschierter Drogenladen oder öffnete sich, wenn man das richtige Buch rauszog, gar ein Eingang in eine Patchinko-Spielhalle? – eine Buchhandlung war das sicher nicht.

III
Wer wird für Nummer 49 bieten? Egal, denn Leute, lest bloss NIEMALS eines von P.s Büchern! Diese Bücher wurden nicht vom einem Menschen, sondern von einer zeitreisenden Enzyklopädie geschrieben, deren Ziel es ist, unschuldige Männer und Frauen an den Rand des Wahnsinns und darüber hinaus zu treiben. Es ist unmöglich, dass ein Mensch alleine solche Bücher schreibt, wie soll das denn gehen?! Es ist ja schon ein Lebenswerk, so ein Buch zu lesen (geschweige denn es zu verstehen – aber wer mit diesem Anspruch zu Werke geht, sollte sich bereits vorher einen Platz in einem Sanatorium sichern). Ein Buch alleine reicht, um aus einer glücklichen Existenz eine paranoide, süchtige und getriebene Figur zu machen, die an jedem Ort Hinweise und Rätsel zu finden glaubt, in die sie immer tiefer und tiefer eintauchen muss, ohne zu wissen, was sie überhaupt sucht und die beginnt, die verborgenen wie verbotenen Zusammenhänge zu knüpfen und so erst recht ins Visier der Anderen gerät und die schliesslich beginnt, sich mit deren Werten den Arsch abzuwischen. (Un-)Wissende, Suchende, Dahintreibende und zufällig Herumhängende werden sich vereinigen, aber nie herausfinden, um was es eigentlich geht. Wo ist er, wer ist er? Spielt das überhaupt eine Rolle?

IV
Bei der von P. beschriebenen Band The Paranoids muss ich immer an die Sonics denken, aber vielleicht ist das ja falsch. Jedenfalls, wer sich für den sogenannten New Rock und die unzähligen "The"-Bands der frühen Nullerjahre interessiert, dürfte an den Sonics seine helle (dunkle) Freude haben. Das ist Garagen-Rock in seiner frühen und frischen Blüte, entstanden just zu der Zeit, als die amerikanische Regierung begann, LSD-25 unter den Jugendlichen zu verteilen.

Interpret: The Sonics, USA
Album: Here are the Sonics
Song: Strychnine
Jahr: 1965

Internet: Fansite, Wikipedia, MySpace, P.-Wiki.

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Seinem Tee einen Schuss Strychnin beimischen (ich habe kürzlich gehört, dass die Samen der Strychnos Nux-vomica in diversen Medikamenten vorkommt, also schwupps den Kleinen-Chemiker-Kasten hervorholen und geniessen - so lange wie möglich).

Artwork: Das gedämpfte Posthorn, gefunden von Flickr-User jakedobkin.





Comments

Artwork hätt ich dir auch gezeichnet.
Aha daher also die illegalen Tätigkeiten im Buchladen.
Hat dies vielleicht sogar etwas zu tun mit dem Hund dem das Antiquitätengeschäft gehörte?

auf welche wand hättest du denn gemalt?
woher?
nein, oder? ;)

überall hin, wo es dir am liebsten gewesen häre. Auf deinen 'Postschalter'?
aus deinem Zimmer. am Sonntag!
ich glaube schon, der Hund war mich sehr verdächtig...

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