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Pink Floyd - «Time»

SOTW #52-2009

Die Tage sind lang, die Jahre hingegen kurz

sotw_time_tokyo.JPG

Kürzlich hatte ich Waschabend, eine der grösseren Torturen, die einem das Leben (jedenfalls in diesen Längen- und Breitengraden) bereithält. Den Waschkorb runtertragen, die Kleider nach Waschgangart und -Wärme sortieren, einen Teil davon dann in die Maschine werfen und den richtigen Knopf drücken. Dann steht auf dem Display, wie lange es dauern wird, beispielsweise 39 Minuten (30° Wäsche), damit man weiss, wann die Kleider wieder sauber sind und die nächste Qual, das Aufhängen der Wäsche, ansteht. Allerdings jedes Mal, wenn ich nach dem Starten des Waschgangs wieder oben in der Wohnung bin, vergesse ich, auf die Uhr zu schauen, was bedeutet, dass ich mich auf mein inneres Zeitgefühl verlassen muss. Dieses kann mitunter stark täuschen, wie Ihr selber zweifellos auch wisst, und hängt auch stark davon ab, was man während eines solchen Waschgangs denn genau macht. Ich für meinen Teil finde mich regelmässig zu früh unten in der Waschküche wieder, so dass dann der Counter, der die Minuten des Waschgangs rückwärts runter zählt, zwischen 2 und 5 Rest-Minuten anzeigt, was einem die Optionen a) warten in der Waschküche, die ungefähr so spannend ist wie das Wartezimmer eines Zahnarztes und b) wieder rauf in die Wohnung steigen, kurz irgendwas machen (ja nichts zu tolles, denn sonst vergisst man, gleich wieder runter zu gehen!) und dann gleich wieder runter gehen, lässt. Beides ziemlich doof, also.

Natürlich ist mir das kürzlich genau wieder passiert. Ich ohne Zeitplan runter, in der Hoffnung, der Waschgang sei vorbei, war aber nichts: Die Waschmaschine zeigte noch 2 Minuten an, der Trockner daneben gar noch deren 15. Da ich keine Lust hatte, nach oben in die Wohnung zu gehen und nach eineinhalb Minuten wieder runter zu kommen, entschied ich mich für Option eins und bin ich halt einfach 2 Minuten in der Waschküche geblieben und habe mich nach einer Minute aus lauter Langeweile für die kommende Woche gleich wieder zum Waschen eingetragen und dabei eine höchst erstaunliche wie erschreckende Entdeckung gemacht: In derselben Zeit, in der die Waschmaschine von zwei auf eine Minute runter gezählt hatte, war der Trockner von 15 Minuten auf 10 runtergegangen!

Was soll man nun davon halten? Hat eine der beiden Maschinen einen Fehler gemacht? Maschinen machen doch keine Fehler! Oder befindet sich genau zwischen diesen Maschinen die Datumsgrenze, ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum oder gar das Bermuda-Dreieck? Jedenfalls, aus diesem langweiligen Ort wurde schlagartig ein grusliger. Schliesslich war ich Zeuge eines eindeutigen Fehlers in der Matrix oder wie diese Konstruktion, die wir "Welt" nennen sonst heisst und ich musste jederzeit mit der Ankunft von Hütern des Glaubens an die Realität rechnen. Schnell leerte ich die Waschmaschine, hängte meine T-Shirts und Pullis auf, leerte danach den inzwischen ebenfalls bei null – bloss welcher? – angekommenen Trockner, warf die trockenen Kleider schleunigst in meinen Waschbeutel und rannte hoch. Gerade noch geschafft. Seither höre ich in meinem Zimmer, das blöderweise genau über der Waschküche liegt, des Nachts so seltsame, repetitive Geräusche. Ist das der Zeit-Wächter, der sich verspätet hat und nach mir sucht, sind es die beiden Maschinen, die sich gegenseitig der Zeit-Sprunghaftigkeit beschuldigen oder ist es doch nur einE rücksichtsloseR NachbarIn, der/die mitten in der Nacht wäscht?


Interpret: Pink Floyd, UK
Album: Dark Side of the Moon
Song: Time
Jahr: 1973

Internet: Website, Wikipedia, Live-Mitschnitt (Pink Floyd), Live-Mitschnitt (Roger Waters).

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Endlich rausfinden, wie man im Natel den verfluchten Timer einstellen kann.

Artwork: Gibt es etwa doch einen Gott? Und sieht er so aus? Gigantesker Buddha in der Surferstadt Kamakura im Süden Tokios.





Comments

ach herje, das nächste Mal gehe ich wirklich die Maschine stoppen, bevor du mir noch wieder der Kirche beitrittst...

Ist mir lustigerweise genau heute auch passiert: Bin zu früh wieder vor der Maschine gestanden. Eigentlich freue ich mich jeweils über kurze Pausen, aber 2 Minuten vor einer Waschmaschine wartend zu stehen, das macht mich fertig. Der moderne, durchrationalisierte Mensch opfert dem Maschinen-Gott zwei seiner wertvollen Minuten - es ist ein Nervenspiel. Interessante Gegenmittel wären a) ein Waschküchenradio (Pink Floyd auf Endlos-Repetition?) b) ein Waschmaschinen-Webdisplay mit SOTW vorinstalliert? 2 Minuten ist nämlich ziemlich genau die durchschnittliche Zeit, die man zum Lesen der Artikel braucht (inkl. der nicht vorhandenen Kommentare). Ich muss mal mit meiner Verwaltung sprechen.

betreffend beschallung der waschküche (inkl. endlosschleife) sprichst du ein sehr heikles thema an, denn die nachbarin, die bei uns neben der waschküche wohnt, gehört zur grössten und perfidesten terror-organisation der welt, den abba-fans!

also das ist jetzt ja nicht ganz wahr. jemand anderes im haus mag abba noch viel besser...

ja stimmt, du! aber du wohnst nicht mehr hier, also zählst du nicht! ;)
aber was ist denn nicht wahr, hab ja nicht gesagt, dass h. der grössere abba-fan ist als r., trotzdem wurde ich mehrere male von ihrer wohnung aus mit diesem sound gequält (inkl. mitsingen!!!)...

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