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Suicidal Tendencies - «Send Me Your Money»

SOTW #34-2008

Kleider machen Jahreszeiten

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Wie es scheint, ist der Sommer bald vorbei, was aus vielen Gründen toll, aus ein paar Gründen aber auch schade ist. Denn, sinken die Temperaturen, freut sich zwar mein Hitze-unresistenter Körper grundsätzlich, zwischen Pelvis und Caput tibiae aber macht sich ein kleines Restchen Wehmut breit. Abschied nehmen von Temperaturen über 20 Grad Celsius bedeutet eben immer auch Abschied nehmen von meinen wild-gemusterten, vier-(neon!)-farbigen, frühe-90er-Jahre-gedenk-Bermudashorts. Diese Hosen, die mir wohl meine Mami irgendwann gekauft (und das später, als ich sie als Ü20er noch immer mit Begeisterung getragen habe, wohl bitter bereut) hat, würden unter Mode-Experten wohl spontanen Augenkrebs und spastischen Brechreiz verursachen. Gut so. Denn bei diesen Hosen geht es nicht um Stil, sondern um eine Lebenseinstellung. Diese Hosen, die übrigens von meinem Mitbewohner Herr Dunnerund sogar mal mit der Intention des allgemeinen Schockierens in Kombination mit einem blauen Hawaii-Hemd zum obligatorischen Übungsschiessen getragen worden sind, eine Aktion, die zu unserer Überraschung jedoch keinerlei Reaktionen ausgelöst hat (da ich bei solchen Veranstaltungen als Nicht-Mitglied unseres bewaffneten Trachtenvereins nicht teilnehmen muss, kann ich nur erahnen, wie andere Dienstpflichtige bei solchen Gelegenheit gewandet sind), waren in den frühen 90er Jahren in einschlägigen Kreisen nämlich sehr beliebt.

Zum Beispiel bei den Musikern der positivistischen kalifornischen Rockband Suicidal Tendencies und im Besonderen bei deren Bassist Rob Trujillo (danach u.a. auch bei Infectious Grooves, später dann in Ozzy’s Begleitband, heute bei Metallica) waren diese Hosen sehr beliebt. Schaut man sich das Cover des Albums «Lights…Camera…Revolution!» mal genauer an, sieht man, dass eben dieser Herr Trujillo mit einem Stück Stoff behost ist, dass meinen Bermudas nicht unähnlich ist. Ja, diese Typen wussten ohne Zweifel wo’s langgeht. Ihre Masche war solid beriffter und bisweilen ansehnlich schneller Metal, der jedoch immer mit erfrischender Ironie vorgetragen und (zumindest während der Trujillo-Ära) mit wahnwitzig funkenden und groovenden Bassläufen unterlegt wurde. Dieser Sound und ihr notorisch asoziales Verhalten bei Gigs brachten ihnen dann auch bald ein (mehr als sieben Jahre dauerndes) Auftrittsverbot für ganz Los Angeles und Umgebung ein. Diese Band war damals dermassen rad, dass es der Song «Send Me Your Money» sogar auf die Soundtrack-Liste der grenzdebilen «Creatures of Habit» Snowboardfilm-Reihe schaffte. Ihr werdet mir beistimmen, mehr kann man als Musiker auf dieser unserer Erde unmöglich erreichen.

Darum trage ich diese Hosen, die mal ein grosses Loch über dem (vom Träger aus) rechten Knie hatten, was aber kein Problem war, da ich meinen Rucksack zuvor bereits unzählige Male mit Nadel und Faden geflickt hatte (trotzdem ist dieser Rucksack vor wenigen Wochen, in seinem stolzen zehnten Lebensjahr, gestorben (wie immer: der Reissverschluss war's!)), auch heute noch mit stolz und ohne Gehör für spöttische Bemerkungen. Ausserdem, irgendwann sind diese Hosen sowieso wieder in. Und wenn das der Fall ist, werde ich mir dieselben Hosen auch noch in der langen Version kaufen, Modell Jeffrey Lebowsky könnte man die dann nennen. Oder meinetwegen Model MC Hammer, Hauptsache, ich kann in Zukunft auch im Winter anständige Hosen tragen.

Interpret: Suicidal Tendencies, Venice, CA
Album: Lights...Camera...Revolution!
Song: Send Me Your Money
Jahr: 1990

Internet: Albumcover

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Der Church of Suicidal sein letztes Hemd spenden, die Hosen aber unbedingt behalten.

Artwork: Mathis








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