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The Dandy Warhols - «We Used to Be Friends»

SOTW #19-2013

Der Geist der Vergangenheit

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Mit einem Glas gespritztem Weissen sass ich mit einer Freundin in einer Bar am Fenster. Der Tag war schon ganz schön crazy gewesen, die Stadt hatten wir einmal umgegraben, Ausstellung, Essen, Leute, Leben. Vielmehr war es eine ganze Woche, die sich hier auf nur einen Tag ausstreckte. Es gab viel zu lachen, und der Abend versprach noch viel mehr Gelächter. Im gelben Kleid, mit rotem Lippenstift und offenen Haaren sah ich ganz schön wild aus und um ehrlich zu sein, bin ich eh alles andere als zahm.

Und dann fiel mein Blick aus dem Fenster, das sich wie eine Kinoleinwand vor mir aufspannte. Vor mir stand eine Gruppe Leute am diskutieren. Und in diesem Grüppchen eine graue Gestalt. Ein Geist. Mein Geist aus der Vergangenheit. Ich fürchtete schon, dass ich Ebenezer Scrooge mässig büssen müsste für den wilden Tag, aber es war nicht Weihnachten, und ich bin alles andere als geizig. Der Geist ignorierte mich denn auch, zog an seiner Zigarette und nickte zu allem, was draussen so gesagt wurde. Die Haut war fahl, beinahe durchsichtig. Bei jedem Zug an der Zigarette schien der Muskel durch die Haut, als hätte sich ein Loch ins Fleisch geätzt. Die Augen waren matt, eingefallen, die Finger dünn, schmalgliedrig, knochig – Geister müssen scheinbar nichts mehr essen. Die Kleidung eher bieder, irgendwie passte nichts richtig zusammen. Ich hatte genau Zeit mir meinen Geist anzuschauen, zu beobachten, die Show zu geniessen, denn obschon ich raus gewunken hab, konnte oder wollte sie mich nicht sehen. Es war wie eine Puppe in den Trümmern eines Krieges zu finden, deren Porzellan Glasur überall Sprünge aufweist. Hello, Chuckie’s Bride.

„Wir sollten unbedingt wieder mal auf einen Kaffee“, hatte sie das letzte Mal gesagt, wie ich sie gesehen hab. „Ja eh, du hast ja meine Nummer noch“, konterte ich mit grosszügigem Grinsen, ich hatte den Ball zurückgespielt, denn ich wusste, sie würde sich nie melden, und ich war aus dem Schneider und froh darüber.

Die ganze Show vor dem Fenster, führte mir vor, wie das Leben mit einem so spielt, und das man viel Eigenverantwortung hat, bei dem was man mit den 60-70 Jahren anstellt, die man so zur Verfügung hat. Der Geist, der vor mir Stand, war nämlich meine Freindin aus der Schulzeit.

Damit nämlich, dass ich nicht perfekt bin, hatte ich in dieser Zeit stark zu kämpfen, und meine Nachteile, rieb mir die junge Dame, mit der ich sehr, sehr gut befreundet war, immer sehr dezent unter die Nase. Alles was sie machte war auch immer so interessant, Ballett, Philosophie blabla etc. Ich fühlte mich unbeholfen, aber vor allem auch dumm und uninteressant, in ihrer Gegenwart und trotzdem war sie doch meine Freundin. Es blieb mir keine Zeit mich auf meine eigenen Stärken zu konzentrieren, denn ihre waren in meinem Alltag überpräsent. Ein Beweis für meine verschobene Wahrnehmung war, als wir mal aus Jux die Hosen getauscht haben, ich in ihrer Skinny Jeans, sie in meiner Baggy Pants und mir die Jeans sogar noch etwas zu gross war, obschohn ich ihmmer wie ein Berg vorkam der neben ihr stand. Einiges ihrer Leuchtkraft zog sie aus dem Kontrast den sie zu mir bildete. Kraft , die sie mir entzog. Sie wusste immer genau was mich beschäftigt, und machte sich das auch zum nutzen. Es war nicht der Sprung an die Uni, der das veränderte, sondern der Prozess der Ablösung machte ich bereits vorher durch. Ich hörte einfach auf zu sprechen. Drehte den Info-Hahn zu. Antwortete nur noch wenn ich angesprochen wurde.

Dennoch lief sie mir in den letzten 12 Jahren immer wieder über den Weg, tauchte in den unpassendsten Momenten auf, wie ein Schreckgespenst, um mir schlimme Situationen noch zu verschlimmern, Unsicherheiten zu verstärken. Nein, nicht auch noch hier, dachte ich meist. Aber der Schrecken hat sich gelegt. Ich bin nicht perfekt, das wird ich auch nie sein, aber ich bin gut mit mir selber. Im Reinen. Und seit ich gefunden hab, wie ich gut bin mit mir selbst, lasse ich mir das nicht mehr nehmen. Ich kenne meine Schwächen, aber betone meine Stärken. Wie ich angefangen hab, mit Roller Derby, hab ich ein paar Stinky Eyes kassiert, weil ich immer geschminkt und in Kleidchen im Training aufmarschiert bin. Aber ich hätt mir eher ein Bein abgeschnitten als mich zu ändern. Ich passe mich nicht mehr an, und ich lasse mir schon lange keine Energie mehr abziehen.

Und ich gebs zu, für einen Moment, war ich ganz schön hässlich, wie ich da sass mit meinem gespritzen Weissen. Denn ich genoss den Anblick, dieser verblassten Schönheit, und des mangelnden Espirt. Aber dann war es vorbei, ich konnte es gehen lassen. Wie ich damals zu ihr hoch, hatte ich für eine Sekunde an dem Abend zu ihr hinunter geschaut. Und dann konnte ich es gehen lassen. Mitleid empfinden, dass sie irgendwo auf der Strecke blieb. Und auf der Strecke bleiben meist die, von denen man grosses erwartet hat.

Und ich drehte mich um, nahm einen kräftigen Schluck und stürzte mich zurück in diesen schrägen Abend, der noch bis in den nächsten Morgen dauerte.

Darum – wenn du dich mal an mich erinnerst und den Mut findest, heute geh ich gern n Kaffe mit dir trinken und ich erzähl dir dann auch mal wieder etwas. „Just remember me when you are good to go“.

Es ist lange her, aber - wir waren mal Freunde.

Interpret: The Dandy Warhols
Album: Welcome to the Monkey House
Song: We Used To Be Friends
Jahr: 2003

Internet: Offizielle Seite

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Noch einen Drink bestellen.

Artwork: Fenstersicht









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