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The Rifles - «She's Got Standards»

SOTW #13-2007

Wenn kooksen zur Rockkrise führt

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Da die liebe, innovative Uni Luzern glaubt, meine rückständige Sozialkompetenz durch das Sammeln von Social Credits fördern zu müssen, bin ich momentan auf der Suche nach Geld, welches ich dann im Rahmen unseres Sozialfonds wieder ausgeben darf. Im Zuge dieser bis anhin katastrophal erfolglosen Geldsuche, wurde ein Benefizkonzert organisiert, welches zugleich als Plattform für zwei aufstrebende Luzerner Indie-Bands fungierte (die Agglo zeichnet sich aufgrund mangelnder Beschäftigungsalternativen gerne durch eine sehr hohe Dann-gründe-ich-halt-eine-Band-Quote aus). 7 Dollar Taxi und The Paces, die erstaunlicherweise ohne den üblichen Schweizermuff auskommen und deshalb beide durchaus mal eine Hörprobe wert sind, versuchten mit voller jugendlicher Innbrunst sowohl unsere Kasse, als auch das spärlich gefüllte Adagio zum toben zu bringen, was sich leider in beiden Fällen als eher schwierig herausstellte. Uni Luzern halt. Nichts desto Trotz inspirierte mich der Anblick der Jungs für einen SOTW, besser gesagt, wurde mir schlagartig bewusst, was momentan eine nicht gerade problemlose Entwicklung von Rockbands darstellt: Sie werden immer jünger.

Ein prominentes Beispiel dafür sind The Kooks. Musikalisch wirklich talentierte Jungs und hätte man sie nie zu Gesicht bekommen, würde man es der Musik wahrscheinlich nicht einmal anhören, dass sie kaum 20 Jahre alt sind. Doch sobald solche Typen die Bühne betreten, setzt bei mir der Jö-Effekt ein. Etwa so, wie wenn man ein Kindergarten-Rock-Konzert anschauen würde oder der kleine Cousin zum ersten Mal mit seiner quietschenden Geige einen Auftritt hat. Man möchte ihnen über den emo-frisierten Kopf streicheln und sagen: das hast du aber gut gemacht. Da hilft die ganze Rockattitüde nichts, keine Lederjacken, die mal nach fünf und mal nach zehn Minuten ausgezogen werden, keine Pilotenbrillen und auch keine ultra engen Hosen (kann man eigentlich neuerdings in der Kinderabteilung von H&M Röhrenjeans kaufen?). Die Gitarre scheint nur umgehängt zu werden, um in der Schule den Superstar vom Supernerd unterscheiden zu können (zu unseren Schulzeiten hätte man mit Röhrenjeans keinen Tag überlebt).

Um 7 Dollar Taxi zu zitieren: „I love older girls and younger girls love me“ – Ja, schön für euch, doch was bitte ist mit den Mädels Mitte 20? Was soll aus Sex, Drugs and Rock’n’Roll werden, wenn den heutigen Rockstars ausser auf dem Kopf noch nirgends Haare wachsen? Was bitte bleibt dem Rock noch, wenn der Sexappeal dem Mutterinstinkt weicht und die Tourbusse statt Drogenarsenale nur noch Playstations und Plasmabildschirme beinhalten (was ich an sich ja eine durchaus zu begrüssende Entwicklung finde, angesichts anhaltender Talentverschwendung à la Pete Doherty)? Ich möchte mich doch nicht schon mit 24 so fühlen, wie wenn alles Gute und Neue nur noch von kleinen Menschen geschaffen würde. Haben den auch schon 24 Jährige Rolling Stones? Und wenn ja, wer wäre das denn? Green Day? Red Hot Chilli Peppers? Bitte nicht.

Und deshalb gehört dieser SOTW weder den Luzerner noch den Kooks, sondern den Rifles. Sie haben es nämlich erkannt: „She’s got standards but you’re cool if you’re at twenty-five“. Und The Rifles erfüllen meine Standards allemal, denn sie sind mehr als der momentan zu Hauf produzierte Einheitsbrei von der Insel, der sich vermehrt auch als passende Hintergrundsmusik für unsere Shoppingcenters bewiesen hat. Also hört mal rein, es lohnt sich.

Interpret: The Rifles, UK
Album: No Love Lost
Song: She's Got Standards
Jahr: 2006

Internet: Band, Youtube

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: In der Sonne liegen und für sich selbst zu coole Typen blöd finden.

Artwork: Lea für SOTW.





Comments

Ah die Dame mit den Collagen... :-P

Werden die Bands wirklich immer jünger?

Mich dünkts, es ist noch viel schlimmer: Wir werden immer älter.

Servus Lea

Bin eben über deinen Text gestolpert!

Denkst du, die Stones haben erst mit 26 angefangen, zusammen Musik zu machen? Nein, mit 18! Und John Lennon war 17, als er mit seiner Skiffle-Band „Quarrimen“ McCartney und Harrison traf um mit ihnen eine andere grosse Band zu gründen. Mit den von dir erwähnten Greenday will ich gar nicht erst anfangen, die haben ja schon im Kindergarten zusammen musiziert. Verglichen zu früher, da hast du schon recht, gibt es mehr junge Bands, die schon Tourneen ausverkaufen und die man „erfolgreich“ bezeichnen kann.

Ich denke, das Problem ist aber weniger, dass Bands immer jünger werden (was gar nicht wirklich stimmt, siehe oben), sondern dass die meisten Bands von heute irgendwie extrem eintönig und gleich klingen. Von wegen "indie", ein Wort, das sich ja neben der marktwirtschaftlichen Situation (kleine Labels, vieles alleine machen) auch dadurch definiert, dass man sich NICHT um Trends kümmert. Und nicht Musik macht, um von Kommerz-Radio gespielt zu werden (Kooks) oder sich gleich dem eben angesagten Musikstil anschliesst (ob ich die Rifles zu diesen Bands zähle, sage ich dir ein ander Mal). Nun ist es wohl die Aufgabe jedes einzelnen, der sich indie nennt, aus dieser Suppe von belanglosen Bands diejenigen mit Substanz rauszufiltern. Mensch, wann hast du das letzte Mal ne Band gehört, die dich an den Eiern packt und dich sagen lässt: „Das ist es, danach hab ich gesucht!!!“??? Wann??? Oder tun das Rifles?

Zum Spruch „I love older girls and younger girls love me“ kann ich sagen, und ich hab ihn ja auf die Myspace-Seite gepostet, dass der nichts mit den Vorlieben der Band zu tun hat, sondern bloss ne Persiflage auf The Blood Arm ist und. Eine Band, die man als Indie-Musikredaktorin bestimmt kennt. Kennst du ihren Ãœber-Hit „I love all the girls and all the girls love meâ€? Ist sozusagen ein Running Gag von uns, Song-Texte zu umzuformen und als Headline zu brauchen. Auch "I'll make spaghetti if you sing to me in French" brauchten wir schon. Die Hintergründe dazu muss ich ja nicht erläutern :)

Na, das hat sich jetzt ein bisschen in die Länge gezogen. Man riecht sich,
Tizian

Ich bin sprachlos: Song of the Week hat ja tatsächlich nebst den Autoren noch andere Leser!! Was für eine Expansion!

Lieber Tizian,

Merci für deine Rückmeldung, echt cool!
Natürlich hast du vollkommen recht, dass die meisten Bands früh angefangen haben Musik zu machen, was sich ja eigentlich von selbst versteht, nimmt man an, dass meist eine gewisse Leidenschaft oder "Berufung" dahinter steht. Doch, wie du auch erwähnt hast, hatten in der letzten Zeit einige junge Bands von Null auf Hundert Erfolg, was halt das Durchschnittsalter eher gesenkt hat.

Ãœber den Indiequatsch muss man eigentlich gar nicht weiter diskutieren, da das ja, wenn man die ursprüngliche, auch von dir geschilderte Bedeutung des Wortes anschaut, einfach nur paradox ist. Die meisten sog. Indie-Bands haben sich ja schon lange an Grosslabels verkauft und sind selbst zum Trend geworden. Also von dem her ist Indie wohl mittlerweile eher ein gewisses Genre als irgendwas anderes. Und dass hier oft ein eintöniger Einheitsbrei produziert wird, hab ich ja schon im Text erwähnt.

Euer Myspace-Zitat hab ich mir grad so schön für meinen Text passend gemacht, es diente also eigentlich nur als "journalstischer Aufänger"...

Also dann, dir und deiner Band viel Erfolg beim Erobern der Welt (hab gesehen es zieht euch sogar nach London!)

Hahaha, ja ist doch super, wenn ihr ein paar Leser habt! Finde die Idee hinter eurer Seite ziemlich cool.

Vielen Dank, man wird bestimmt in unserem Myspace-Blog einen ausgiebigen Reisebericht zum London-Trip finden! Ich hoffe auch, dass du uns mal siehst, wie wir - erfolgreich - einen "spärlich gefüllten" Saal zum Toben bringen. Weiss nicht, ob das in Luzern je wieder der Fall sein wird, aber einen Versuch wert ist es allemal.

Grüsse,
Tizian

ich liebe dein artwork!

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