« Beck - «Modern Guilt» | Main | Phlox - «Kaavjas» »

The Wallflowers - «6th Avenue Heartache»

SOTW #36-2008

Eindrücke aus einer Woche Held spielen

alzheimer.jpg

In der Schweiz ist es nicht ungewöhnlich, dass der militärische Werdegang eines Mannes ihn von der Aushebung (rennen, springen, klettern) über die Trompeter-Einheit (verschieben, verschob, verschoben) und den Militärarzt schliesslich in den Beifahrersiz eines grossen Mercedes-Benz mit Aufschrift "Zivilschutz" führt. Und das in einem einzigartigen, orange-olivgrünen Kostüm mitsamt "gutem Schuhwerk".

Puristen unter euch (solche, deren Uniformen kein Orange zierte) mögen ihren ausgemusterten Kollegen belächeln, Freunde und Verwandte wahlweise über das Outfit staunen und laut lachen. Doch der Zivilschutz ist nicht umsonst (Seite an Seite mit Polizei, Feuerwehr und Sanität) Teil von Schutz und Rettung Zürich. Wir schützen und, so Gott will, wir retten. Mindestens eine Person pro Morgen.

Braucht man dafür zweistündige Pausen in der Badi an einem schönen Mittwoch, das Funkgerät im Auto liegen geblieben? Oder ausgedehnte Kaffee-Stops mit malerischer Aussicht im Hotel Zürichberg? Wer bin ich, um solche Fragen zu beantworten. Fragt lieber die Damen und Herren, die von dem Orientierungssinn, den Fahrkünsten und den Bizepsen (Rollstühle sind schwer) der Zivilschützer abhängig sind.

Geht nach Regensdorf und fragt Frau S., unter deren Kopftuch sich nur dann ein Lächeln zeigt, wenn sie heil und ganz im Stadtspital Waid angekommen ist. Oder Herrn E., der nur mehr fähig ist, "Ja" zu sagen, egal, was man ihn fragt (und oft auch ohne überhaupt gefragt zu werden). Oder Frau M., die 50 Franken für ein angemessenes Trinkgeld für 2 Minuten Fahrzeit hält und erst dann das "Nein" akzeptiert, wenn man sie gewaltsam ins Tageszentrum rollt.

Tönt spassig, doch die Woche ist, wie das Menü in der Kantine des Ausbildungszentrums, süsssauer. Fünf Tage cruisen; aber zwischendurch, nebst Zwangspausen mit Panorama, schleichen sich leise Ermahnungen ein.

Memento mori (so will ich nicht enden). Dann die Gewissheit, nichts dagegen tun zu können und die Formulierung des fundamentalen Alzheimer-Paradoxes: Ich spring lieber aus dem Fenster, aber wenns mal soweit ist, hab ich diesen guten Vorsatz ja bereits vergessen.

Auch an GABI wird man wehmütig erinnert. Die, so sagt uns der bärtige Ausbildner, heiss jetzt ABC. Ganz im Sinne des zunehmenden Analphabetismus unter Schützern und Rettern.

Und schliesslich an die vielen Herzen, die auf den Strassen der Welt weh tun. Dieser Mahnruf kommt in Form eines Liedes, wenn DRS3 grad mal nicht über Sämis Vergesslichkeit berichtet. Man lacht und freut sich, das Kostüm Freitagabend im Keller versorgen zu können. Der Song aber bleibt - und das ist gut so.

Interpret: The Wallflowers, USA
Album: Bringing Down The Horse
Song: 6th Avenue Heartache
Jahr: 1996

Empfohlene Tätigkeit beim Hören dieses Songs: Bremsen lösen vor dem Schieben.

Artwork: Flickr-User hannesseibt








SongOfTheWeek

Geschichten, die die Musik schreibt. 1x pro Woche, mit tollen Metaphern.

Share
Creative Commons License





Related Posts with Thumbnails